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Jenseits der Untiefen

Jenseits der Untiefen

Titel: Jenseits der Untiefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Favel Parrett
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sie waren träge und hatten sich am vielen Abfall und an den verrotteten Lebensmitteln so fett gefressen, dass sie fast zahm waren. Manchmal konnte man sie sogar tagsüber sehen, anders als die in der Nähe des Hauses, die man nur spätnachts, wenn alles dunkel war, knurren, kreischen und kämpfen hörte. Manchmal versuchte Harry, sie vom Fenster aus zu entdecken. Und manchmal glaubte er, Augen zu erkennen, kleine rote Augen, die aus dem Gebüsch starrten – aber er war sich nie sicher. Er wusste, dass Dad sie hasste, vor allem die Geräusche, die sie machten. Würde jemals einer der Teufel eine Höhle unter dem Haus bauen, würde Dad ihn erschießen, das wusste Harry.
    Er hoffte, heute ein paar zu sehen.

B eim Ausräumen des Schuppens hatten sie noch mehr vom Auto gefunden, meistens verbeultes Blech und Teile des Motors, und sie hatten alles auf den Anhänger geladen. Die Ladefläche des Transporters war ebenfalls voll. Es gab so viel Gerümpel in Großvaters Haus, dass sie wahrscheinlich vier oder mehr Touren zur Müllhalde würden machen müssen.
    Joe fuhr rückwärts aus der Einfahrt, und Harry winkte Miles zu. Miles saß auf der Veranda und winkte nicht zurück. Er sollte die Sachen im Haus aussortieren, aber Harry wusste, dass Miles dort sitzen bleiben würde, bis sie wieder zurück wären. Miles war es von ihnen allen am wichtigsten, das Haus zu behalten. Joe schien es egal zu sein, und Tante Jean war der Meinung, sie müssten es verkaufen. »Wir können das Geld alle brauchen«, sagte sie.
    Großvater würde es traurig machen, dass all seine Sachen auf dem Müll landeten. Das war es, was Harry dachte.
    Joe fragte ihn, ob alles in Ordnung sei. »Ist es, weil ich weggehe?«, fragte er.
    Harry zuckte mit den Schultern. Er wollte das Fenster herunterkurbeln, um ein bisschen frische Luft zu atmen, aber das Auto wirbelte so viel Staub von der Straße auf, dass er es sein ließ.
    »Wie auch immer. Wenn ich mir erst mal ein paar Orte angesehen habe, bin ich sowieso wieder da.«
    »Was für Orte?«, fragte Harry.
    »Erster Halt Samoa. Von da, wer weiß.«
    »Wo ist Samoa?«
    »Südpazifik. Du weißt schon, warmes Wasser, Palmen, weiße Strände.«
    Harry konnte sich solche Orte vorstellen. Er hatte sie im Fernsehen gesehen, und auf einmal wollte er Joe von George Fuller erzählen. Er wollte ihm erzählen, wie er zu Georges Haus gegangen war und Tee getrunken und mit seinem Hund Jake gespielt hatte. Er wollte Joe fragen, ob er George kannte. George hatte Großvater gekannt.
    »Vielleicht hat Großvater das Auto behalten, weil er dachte, er würde was finden?«, sagte Harry und merkte, wie der Transporter langsamer wurde und an den Straßenrand fuhr.
    Joe sah ihn an.
    »Wie meinst du das?«
    Harry sah auf seine Beine. Er war sich da selbst nicht sicher.
    »Vielleicht war ein Mann da, im Auto«, sagte er. Er wollte noch mehr über diesen Mann sagen, aber er konnte sich nicht wirklich erinnern.
    »Meinst du den Mann vom Krankenwagen?«
    Harry zuckte mit den Schultern. Er wollte nicht mehr darüber reden. Er wusste schon nicht mehr, warum er es überhaupt gesagt hatte.
    »Du hast dir richtig schlimm den Kopf gestoßen. Erinnerst du dich? Du musstest ins Krankenhaus.«
    Harry nickte. Er erinnerte sich. Miles war auch im Krankenwagen gewesen, sein Kopf hatte tiefe Schnittwunden gehabt und geblutet, und Harry war in eine graue Decke gewickelt gewesen, und jemand hatte wieder und wieder gesagt: »Versuch, wach zu bleiben«, und sie hatten ihn immerzu geschüttelt, und er wollte nur, dass sie damit aufhörten. Er wollte einfach einschlafen.
    »Wann gehst du weg?«, fragte Harry.
    »Bald, Kumpel. Bald.«

M iles ging den Pfad hinunter zum Strand und setzte sich in den grauen Sand von Lady Bay. Es war wolkig, der Himmel war bedeckt, aber es gab noch immer Licht, das vom Wasser reflektiert wurde und ihm in den Augen schmerzte. Er blinzelte, bis sich seine Augen an das Weiß gewöhnt hatten, und sah über die vertrauten Felsen hinweg über Sand und Meer. Er hätte sich im Haus nützlich machen sollen, aber das Haus war vollgestopft und stickig, und er wollte nicht dort sein.
    Er schob eine Hand in die Hosentasche und zog die Angelschnur heraus. Er hielt sie ins Licht.
    Ein Haifischzahn, kalt und scharf – eine perfekte Klinge.
    Das, was einmal ein Hai gewesen war, war verrottet und verschwunden; alles bis auf den Kiefer und die Zähne. Mehr als das konnte der Hai nicht von sich zurücklassen. Der Zahn war alt. Er war gelb und

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