Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits der Untiefen

Jenseits der Untiefen

Titel: Jenseits der Untiefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Favel Parrett
Vom Netzwerk:
erkennen.
    Das Fenster.
    Den Himmel.
    Das dunkle Blau, das vor der Dämmerung kam.
    Wie ein Traum rollte die Dunkelheit davon. Das weiche Licht der Sterne füllte nach und nach das Zimmer. Sterne, die sich in Scharen zusammenfanden und aussahen wie Juwelen am Himmel.
    Und die Welt öffnete sich. Die Farben kamen zurück.
    Seit er klein war, hatte er sie nicht mehr gesehen, seit Mum, und er hatte die Lichter am Himmel vergessen. Die farbigen Lichter, die pulsierten und strahlten und den dunklen Ebenen Leben einhauchten. Unendlich. Nah und doch nirgends. Die grünen und gelben Wellenkämme des Lichts. Die Südlichter.
    Und sie umgaben ihn, bis er einschlief.

M iles öffnete die Augen.
    Es war dunkel im Zimmer. Es kam ihm vor, als wäre es mitten in der Nacht und er würde die Gestalt, die am Ende von Harrys Bett saß, nur träumen.
    »Aufstehen!«, sagte sie.
    Es war Dad.
    Miles stand auf, zog sich schnell an; Harry wachte nicht auf. Miles schaltete das Licht im Schlafzimmer aus und schloss die Tür. Dad saß im Wohnzimmer und wartete auf ihn. Er wollte wissen, wo Harry war. Miles sagte, Harry würde schlafen, und Dad erhob sich und marschierte ins Schlafzimmer. Er machte das Licht an, zog die Decke weg, warf sie zu Boden und befahl Harry, aufzustehen.
    Harry rieb sich die Augen. Er sah sich um und kniff die Augen zusammen, als Dad aus dem Zimmer ging.
    »Was ist los?«, fragte er.
    Miles wusste es nicht. Er wusste nicht, was los war.
    »Ich glaube, du sollst heute mit uns rausfahren«, sagte er und zog ein paar Sachen aus dem Schrank. Eine Hose und einen Wollpullover. Ein Paar Socken. Er sagte Harry, er solle sich schnell anziehen und seine Stiefel nehmen.
    Harry machte große Augen.
    »Ich kann nicht aufs Boot«, sagte er. »Ich kann nicht. Bitte, Miles, geh raus und sag’s ihm. Sag’s Dad, ja?«
    Miles hörte die Eingangstür zuknallen.
    »Schnell, Harry, zieh dich einfach an. Es wird schon nicht so schlimm werden. Zieh auf jeden Fall den Pullover an und deinen Parka. Nimm die Wollmütze.« Er war auf dem Weg in die Küche, um etwas zum Frühstücken zu holen, das sie im Auto essen konnten, als er hörte, wie Harry zu weinen anfing.
    »Ich hab meinen Parka bei Stuart vergessen«, sagte Harry.
    Miles kehrte um. Er zog seine Jacke aus und gab sie Harry.
    »Ich glaube, wir sollten machen, was Dad sagt. Ich glaube, wir sollten gehen. Er macht das, weil du im Dunkeln draußen auf der Straße warst.«
    »Aber du hast gesagt, es wird stürmisch heute. Du hast gesagt, du glaubst nicht, dass man heute mit dem Boot rausfahren kann.«
    Das stimmte. Miles konnte die Dünung sogar von hier aus hören. Er hörte den Ozean.
    »Es wird schon nicht so schlimm werden, Harry. Ich bin bei dir, und wenn du draußen auf dem Deck bleibst, wird dir nicht schlecht, ich versprech’s dir.«
    Miles griff unter seinen Pullover und machte die Angelschnur ab, die er um den Hals trug.
    »Häng dir das um, okay?« Miles legte Harry den Haifischzahn in die Hand, und Harry sah so klein und schmächtig aus, als wäre keine Zeit vergangen, seit er das Baby im Zimmer gewesen war und Joe zu Miles gesagt hatte, er solle lieb sein zu ihm und Mum helfen. Und Miles war der Meinung gewesen, dass ihm das nicht besonders gefallen würde. Aber Harry hatte etwas an sich, er war so, dass man einfach auf ihn aufpassen wollte.
    Draußen hatte es angefangen zu regnen, und der Wind ließ den Regen in einem so scharfen Winkel durch die Luft schneiden, dass die Tropfen wie kalte Schotterstücke die Haut trafen. Miles ging zum Lieferwagen hinaus, und Harry blieb hinter ihm zurück. Er machte die Tür auf und stieg ein, aber Harry blieb vor dem Wagen stehen.
    »Vielleicht sollte ich lieber hierbleiben, Dad«, sagte er und steckte den Kopf ins Auto.
    Dad drehte sich um, er starrte ihn an und befahl ihm, einzusteigen.
    Harry sprang hinein und schloss die Tür.
    Sie überquerten den Fluss und bogen auf die Hauptstraße ein. Es war noch dunkel. Miles fragte sich, wie lange Dad da am Fußende des Betts gesessen hatte, wie lange er schon im Zimmer gewesen war.
    Harry entfuhr auf einmal ein lauter Schluckauf. Er legte die Hand auf den Mund und sah Miles an, aber ein weiterer Schluckauf folgte. Dad hieb mit der Faust auf die Hupe, ein schriller Trompetenstoß, und Harry stieß einen Schrei aus.
    »Das passiert, wenn du nicht machst, was man dir sagt«, sagte Dad.
    Miles spürte, wie Harry sich an ihn drängte. Spürte, wie Harrys Körper in ihn hineinkroch, er war jetzt

Weitere Kostenlose Bücher