Jenseits der Untiefen
fühlte sich kalt an. Er hörte den Wind in den Bäumen und hatte das Gefühl, weglaufen zu müssen, ganz weit weg. Als müsste er so lange laufen, bis er George und Jake gefunden hatte. Und wenn er sie schließlich gefunden hätte, würde er sie bitten, ihn mitzunehmen, wo immer sie hingingen.
Aber Georges Pfeife lag vor ihm auf dem Tisch. Und seine Kleidung hing da. Seine Teebecher und seine Töpfe, sein Teekessel. Jakes Decke lag auf dem Fußboden. Harry war einfach dumm. Sie würden zurückkommen. Wahrscheinlich waren sie nur auf einem Spaziergang oder beim Angeln. Und wenn Harry zum Steg lief, dann wäre Georges Schlauchboot nicht da, und sie würden bald wiederkommen. So viel war sicher.
Harry stellte den Tee neben die Tür und ging hinüber zum Holzlager. Er entdeckte Georges Axt, sie steckte verkeilt in einem dicken runden Klotz, aber er würde sie nicht brauchen. Es gab große Stapel von trockenem Anmachholz, ordentlich sortiert, und auch jede Menge größere Scheite. George war gut im Holzhacken. Harry war gut im Holzhacken, wenn er die Riesenaxt benutzen durfte, aber Miles ließ ihn fast nie die Riesenaxt benutzen. Er sagte, sie wäre zu schwer für Harry und dass er öfter den Beton traf als das Holz. Miles ließ Harry das Beil benutzen. Aber das Beil war idiotisch. Es war klein und leicht, und man bekam keinen Schwung. Man musste so kräftig auf das Holz einschlagen, dass der Arm jedes Mal von oben bis unten wehtat wie von Blitzeinschlägen, wenn das Beil auf das Holz traf, und wenn man die Holzfaser verpasste, wenn das Beil falsch landete, verklemmte sich der Keil, und das ganze verdammte Scheit steckte an der Schneide fest und man bekam es nicht ab. Das passierte Harry fast jedes Mal, wenn er Anmachholz mit dem Beil schlagen wollte. Miles sagte dann: »Lass, Harry, ich mach das schon«, und wirkte enttäuscht, und Harry stand nur nutzlos daneben und sah zu, wie Miles schwitzte und ächzte und die Holzscheite mit der Riesenaxt spaltete.
Harry türmte Anmachholz in seinen Armen auf. Er nahm, so viel er konnte, brachte es in die Hütte und warf es in die Metallkiste neben dem Holzofen. Er kniete sich neben das Feuer und knüllte Zeitungspapier zu kleinen festen Bällen zusammen. Je fester man sie zusammenknüllte, umso länger brannten sie, aber man musste eine Ecke flach lassen, sodass die Flammen nach dem Papier greifen konnten. Er baute ein zeltartiges Gebilde aus Anmachholz, ließ genug Zwischenraum für die Luft und fegte den Boden mit Kehrschaufel und Besen sauber. Er stellte den Tee auf den Tisch und setzte sich auf einen Stuhl. Dann wartete er.
Immerhin war es noch ziemlich früh, vielleicht kurz nach Mittag, aber nicht viel später. Die Sonne stand immer noch klar und hoch, auch wenn sie nicht wirklich wärmte. Harry hatte vergessen, seinen Parka mitzunehmen. Er musste ihn im Auto von Stuarts Mum liegenlassen haben. Aber sobald er die beiden kommen hörte, würde er das Feuer anmachen. Es konnte nicht mehr lange dauern. Jake wäre zuerst da. Er käme angerannt, und Harry würde seine Pfoten
kratz-kratz
auf der Veranda hören und dann Jakes kalte Nase spüren, die sich in seine Hand presste. George wäre weit hinter ihm, weil er die Ausrüstung trug – Angeln und Eimer mit Plattköpfen, Lachs oder Tintenfisch –, und Harry würde ihm entgegengehen, sobald er das Feuer angezündet hätte, und ihm beim Tragen der Eimer helfen oder was immer nötig wäre.
Harry lehnte sich vor und nahm die zusammengefaltete kleine Decke, die am Fußende von Georges Bett lag, und breitete sie über die Beine. Etwas zum Mittagessen wäre gut – Fisch, wenn George welchen gefangen hätte. Harry zog den Beutel mit den gemischten Lollis aus seiner Hosentasche, fischte eine Kugel, einen Himbeerlolli und einen mit Liebesperlen heraus, um sich bei Laune zu halten, dann drehte er die Papiertüte fest zusammen und steckte sie zurück in die Tasche. Während er die Lollis lutschte, starrte Billy ihn an, Georges Bruder. Auf dem gerahmten Foto auf dem Tisch stand ein großer Mann aufrecht in seiner Uniform und lächelte.
George hatte Harry von Billy erzählt. Davon, wie er in den Krieg gegangen war, als vermisst galt und nie wieder nach Hause kam. Harry hatte eine ganze Weile darüber nachdenken müssen. Er war sogar allein in die Stadt gegangen und hatte sich das alte Kriegerdenkmal angeschaut, um zu sehen, ob Billys Name dort stand. Aber George hatte er nichts davon erzählt, weil er nicht wusste, was er hätte
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