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Jenseits der Untiefen

Jenseits der Untiefen

Titel: Jenseits der Untiefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Favel Parrett
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zum Teufel machst du hier?«
    Miles schnallte sich ab und öffnete die Tür. Dad hatte Harry mit beiden Händen am Pullover gepackt und hochgehoben.
    »Also?«, sagte er und hielt Harry so dicht vor sich, dass ihre Gesichter sich fast berührten.
    Harry antwortete nicht. Aus dem Augenwinkel sah er zu Miles.
    Dad fing an, ihn zu schütteln.
    »Was hast du auf dem Grundstück dieses Mannes zu suchen? Was zum Teufel hast du da gemacht?«
    »Es gibt einen Hund da, und ich … ich wollte gucken, ob er mit mir spielt.«
    Harry kniff die Augen zu, als würde er einen Schlag erwarten, aber Dad machte keine Bewegung. Er starrte Harry an.
    Und alles verstummte. Dad verstummte, und der ganze Ort schien zu verstummen. Kein Wind, keine raschelnden Bäume, kein Geräusch vom Fluss. Nur Dad, der Harry hochgehoben hatte und festhielt. Und sein Gesicht war tot, und seine Augen waren tot, und Miles war übel.
    Aber dann ließ Dad Harry herunter. Er stellte Harry einfach ab und ging weg. Er ging weg und stieg ins Auto.
    Miles stürzte auf Harry zu.
    »Alles klar mit dir?«, fragte er leise, aber Harry sagte nichts. Er schnaubte nur und hielt sich an Miles’ Arm fest. Und beide zuckten zusammen, als das Geräusch des Motors die Luft zerschnitt.
    Auf dem Nachhauseweg saß Miles in der Mitte. Harry drückte seinen Körper eng an die Tür. Dad fuhr. Schweigend. Sein Gesicht war immer noch leer.
    Zu Hause machte er ihnen Eier mit Toast, und Harry und Miles saßen auf der Küchenbank, während Dad fernsah. Und als Miles Dads Teller holte, um ihn abzuwaschen, sagte Dad immer noch nichts.

H arry sah aus dem Schlafzimmerfenster, aber es war zu dunkel, um etwas zu erkennen. Nur die Spiegelung des Zimmers war im Fenster zu sehen und die Spiegelung seiner selbst, wie er dort stand.
    Die Gardinen waren schon vor langer Zeit abgegangen. Er konnte nicht genau sagen, wann, aber niemand hatte sich je die Mühe gemacht, sie wieder anzubringen. Harry wusste nicht mal, wo sie jetzt waren, ob es sie überhaupt noch gab. Und jedes Mal, wenn Tante Jean kam, um die Wäsche abzuholen, sagte sie, dass sich jemand um die Gardinen kümmern sollte – dass sich jemand kümmern sollte. Und niemand hatte das je gemacht.
    Aber das war kein Problem. Harry mochte es, dass er hinaussehen konnte, sobald er aufwachte. Dass er den Himmel sah.
    Miles brauchte ewig für den Abwasch, und als er endlich hereinkam und die Tür hinter sich zumachte, sah er Harry nicht an. Er ging nur hinüber zu seinem Bett und setzte sich hin.
    »Er war nicht da«, sagte Harry. »George war nicht da, und ich glaube, er ist weg, seit wir bei ihm übernachtet haben. Der Abwasch war noch in der Spüle. Vielleicht ist was passiert?«
    »Wieso bist du nicht bei Stuart geblieben? Ich habe dir doch gesagt, du sollst da bleiben.«
    Harry setzte sich neben Miles auf das Bett.
    »Entschuldigung«, sagte er.
    Er sah auf seine Füße. Das Loch in seinem rechten Turnschuh war jetzt so groß, dass sein großer Zeh hindurchpasste. Er wackelte mit dem Zeh, der dort herausragte. Auch Miles schien den Zeh anzusehen.
    »Es war echt stürmisch heute«, sagte er. »Ich glaube, morgen wird es zu stürmisch sein, um rauszufahren.«
    Harry sprang vom Bett auf. »Vielleicht können wir rübergehen zu George und gucken, ob er wieder da ist«, sagte er.
    Miles starrte ihn an. Er schüttelte den Kopf.
    »Du hast Glück, dass Dad nicht ausgerastet ist, Harry. Du hast Glück, dass er nicht alles weiß und dir das mit dem Hund geglaubt hat. Du solltest da nicht hingehen, okay? Du musst einfach zu Hause bleiben.«
    »Aber George ist nett. Du kennst ihn.«
    »Harry …«
    Miles sagte nichts weiter. Harry setzte sich wieder hin. Er schleuderte die Turnschuhe von sich, sie polterten zu Boden.
    »Findest du nicht, dass George nett ist?«, sagte er nach eine Weile.
    Miles nickte. »Wahrscheinlich ist er weiter unten an der Küste fischen, Bruny oder irgendwo.«
    Daran hatte Harry nicht gedacht. Es gab haufenweise Fischerhütten in Bruny und der Umgebung, und George war vielleicht für ein paar Tage einfach nur in einer dieser Hütten. Vielleicht machte er das oft, wo sollte er sonst die vielen Fische herhaben, die er trocknete und räucherte?
    Harry sah zu Miles auf.
    »Okay«, sagte er. »Ich bleibe zu Hause.«

I n dieser Nacht kam es sehr nah.
    Das dichte Schwarz, das auf Harry heruntersank, als er angespannt in seinem Bett lag und Angst hatte, sich zu bewegen.
    Er blinzelte. Er versuchte, in diesem Dunkel etwas zu

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