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Jenseits der Zeit

Jenseits der Zeit

Titel: Jenseits der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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verbreitet.«
    »Ein Feigling sind Sie und ein Lügner zugleich«, sagte Vellers düster.
    »Ruhe jetzt, alle beide«, befahl Thornhill. »Seht mal dort oben!«
    Er streckte eine Hand aus.
    Dicht über ihnen zog sich eine dunkle Wolke zusammen – der Wächter nahte. Während des wütenden Streits hatten sie sein Kommen nicht bemerkt. Thornhill starrte hinauf, versuchte, in dem amorphen Gebilde eine Lebensform auszumachen. Es war unmöglich. Er sah nur dunkle Wolken, die das düstere Tageslicht noch dunkler werden ließen.
    Plötzlich spürte er, wie der Boden unter ihm fast unmerklich erzitterte. Was wird jetzt? dachte er, während er angestrengt in die zunehmende Dunkelheit starrte. Ein Geräusch wie ein weit entfernt verklingender Akkord ertönte in seinen Ohren – vielleicht eine Vibration unterhalb des Hörbereichs, die ihn benommen machte, ihn beruhigte.
    Friede sei unter euch, meine Lieblinge, sagte die tonlose Stimme fast klagend. Ihr streitet euch zu viel. Friede soll unter euch sein …
    Der fast unhörbare Klang umspülte Thornhill, reinigte ihn, wusch allen Haß und alle Wut ab. Er stand einfach lächelnd da, nicht wissend, warum er lächelte, nur Frieden und Ruhe verspürend.
    Die Wolke erhob sich wieder – der Wächter zog sich zurück. Die unhörbare Musik verebbte, das Vibrieren des Bodens hörte auf. Es herrschte wieder Ruhe im Tal, alles schien in perfekter Harmonie zu sein. Dann war es ganz still.
    Lange Minuten sprach keiner von ihnen. Thornhill sah sich um, entdeckte auf La Floquets Gesicht eine völlig ungewohnte Sanftheit, sah, wie sich in Vellers’ breitem, wütendem Gesicht ein Lächeln den Weg bahnte. Er selbst verspürte keinerlei Regung, sich mit irgendwem zu streiten.
    Weit hinten in seinem Gehirn klangen noch die Worte des Wächters nach und versuchten, die Oberhand über ihn zu gewinnen: Friede sei unter euch, meine Lieblinge.
    Lieblinge.
    Sie waren nicht einmal Ausstellungsstücke in einem Zoo, dachte Thornhill mit zunehmender Bitterkeit, während die Wirkung der Beruhigungs-Dusche langsam nachließ. Sie waren Haustiere, verhätschelte Haustiere.
    Dann bemerkte er, daß er zitterte. Das Leben in diesem Tal war ihm so erstrebenswert vorgekommen. Jetzt wollte er laut schreien, wollte seine Wut und seine Enttäuschung in die Bergwände brüllen, die sie umschlossen, aber die Wellenbehandlung wirkte immer noch nach. Thornhill war nicht in der Lage, seinem Ärger Luft zu machen.
     
    In den darauffolgenden Tagen begann er, immer jünger zu werden. McKay, der älteste unter ihnen, zeigte als erster Wirkung der Verjüngung. Es war am vierten Tag im Tal – die Tage bestimmten sie mangels anderer Möglichkeiten nach dem Zyklus der roten Sonne. In dieser Zeit hatten sich die neun zu etwas zusammengefunden, was einem normalen Alltagsleben ähnelte. Seit der Wächter es für nötig befunden hatte, sie zu beruhigen, hatte es auch keine Ausbrüche von Bitterkeit zwischen ihnen gegeben; jeder ging friedlich seinen Gewohnheiten und Vorlieben nach; das Bewußtsein über ihren Status als Haustiere lähmte die Gruppe fast.
    Man stellte fest, daß sie wenig Bedarf an Nahrung oder Schlaf hatten; das Manna ernährte sie gut, und was den Schlaf betraf, so reichten kurze Nickerchen aus, wenn sich die Gelegenheit dazu einmal bot. Die meiste Zeit verbrachten sie damit, sich gegenseitig aus ihrem Leben zu erzählen, mit Wanderungen durch das Tal oder mit dem Schwimmen im Fluß. Thornhill begann sich schrecklich zu langweilen.
    McKay hatte in das dahineilende Wasser gestarrt, als es ihm das erstemal aufgefallen war. Er stieß einen kurzen, lauten Schrei aus; Thornhill, der geglaubt hatte, daß etwas Schlimmes vorgefallen sei, rannte eiligst zu ihm hinüber.
    »Was ist geschehen?«
    McKay schien nicht in Schwierigkeiten zu stecken. Er starrte nur ständig auf sein Spiegelbild im Wasser. »Welche Farbe hat mein Haar, Sam?«
    »Nun, grau – und … und ein wenig Braun.«
    McKay nickte. »Eben. Mein Haar ist schon seit zwanzig Jahren nicht mehr braun gewesen!«
    Inzwischen hatten sich fast alle anderen um sie versammelt. McKay deutete auf sein Haar und sagte: »Ich werde jünger. Ich spüre es überall. Und seht – seht euch mal La Floquets Kopf an!«
    Erschrocken faßte sich der kleine Mann mit einer Hand auf seinen kahlen Schädel – und zuckte wie vom Donner gerührt zurück. »Mir wachsen wieder Haare«, sagte er leise, während er sanft über den Flaum strich, der auf seinem sonnengebräunten Kopf

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