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Jenseits der Zeit

Jenseits der Zeit

Titel: Jenseits der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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gewachsen war. Auf seinem Gesicht machte sich ungläubiges Staunen breit. »Das ist doch unmöglich!«
    »Es ist auch unmöglich für einen Menschen, wieder von den Toten aufzuerstehen«, erinnerte Thornhill ihn. »Der Wächter sorgt wirklich sehr gut für uns.«
    Er sah sie alle der Reihe nach an – McKay und La Floquet, Vellers, Marga, Lona Hardin, die Fremden. Ja, sie hatten sich alle verändert. Alle sahen gesünder, jünger, lebhafter und kräftiger aus.
    Auch bei sich selbst hatte er die Veränderung gespürt. War das das Werk des Wächters oder eine wundersame Eigenschaft dieses Geländes?
    Nehmen wir das letztere an, dachte er. Angenommen, irgendein Zauber dieses Tales macht, daß wir jünger werden. Würde dieser Prozeß aufhören, würde der Effekt langsam nachlassen?
    Oder, so fragte er sich, hatte der Wächter sie alle nur zu dem Zweck hergebracht, um das interessante Schauspiel zu erleben, wie neun Erwachsene langsam wieder zu Kleinkindern wurden?
     
    In dieser Nacht – sie nannten die Zeit, in der die rote Sonne nicht am Himmel stand »Nacht«, auch wenn es nicht dunkel war – wurden Thornhill drei Dinge klar.
    Ihm wurde bewußt, daß er und Marga Fallis einander liebten.
    Er erfuhr, daß ihre Liebe innerhalb des Tales niemals vollzogen werden konnte.
    Und er erkannte, daß La Floquet, unbeschadet dessen, was er auf dem Berg erlebt hatte, nicht verlernt hatte, zu kämpfen.
    Thornhill bat Marga, ihn in die dicht bewaldete Gegend oben am Bergpfad zu begleiten, wo sie ein wenig unter sich sein konnten. Seltsamerweise schien sie zu zögern, seine Einladung anzunehmen, was ihn überraschte und enttäuschte, denn seit Beginn ihrer Beziehung hatte sie freudig alle Angebote, ihn zu begleiten, angenommen. Er drängte sie, mitzukommen, und schließlich willigte sie ein.
    Schweigend gingen sie eine Weile dahin. Aus dem Unterholz leuchteten ihnen die Augen der Katzenwesen entgegen, die Luft war warm und feucht. Langsam glitten weiße Wolken über ihnen dahin.
    »Warum wolltest du nicht mit mir gehen, Marga?« fragte Thornhill dann.
    »Ich möchte nicht darüber sprechen«, antwortete sie.
    Thornhill schoß einen Stein mit dem Fuß ins Gebüsch. »Erst vier Tage, und schon hast du Geheimnisse vor mir?« Er wollte leise kichern, sah dann aber ihren Gesichtsausdruck und brach abrupt ab. »Was ist los?«
    »Gibt es einen Grund, warum ich keine Geheimnisse vor dir haben sollte?« fragte sie. »Ich meine, gibt es da etwas wie eine Abmachung zwischen uns?«
    Er zögerte. »Natürlich nicht. Aber ich dachte …« Sie lächelte ihn beruhigend an. »Ich auch. Aber ich möchte lieber offen sein. Heute nachmittag bat mich La Floquet, seine Frau zu werden.«
    Benommen stammelte Thornhill: »Er … warum …?«
    »Er rechnet damit, hier den Rest seines Lebens festzusitzen«, sagte Marga. »Und an Lona hat er kein Interesse. Also bleibe nur ich, wie es scheint. La Floquet ist nicht gern für lange Zeit ohne Frauen.«
    Thornhill befeuchtete seine trockenen Lippen, schwieg aber.
    »Er befahl mir einfach, nicht mehr mit dir in die Hügel zu gehen«, fuhr sie fort. »Sollte ich es doch tun, wollte er Ärger machen. Ein Nein als Antwort komme für ihn nicht in Betracht, sagte er mir.«
    »Und welche Antwort hast du ihm gegeben – wenn ich fragen darf?«
    Sie lächelte warm; ein blauer Schimmer funkelte in ihren dunklen Augen, als sie antwortete: »Nun, ich bin hier, nicht wahr? Ist das nicht Antwort genug für ihn?«
    Erleichterung schlug wie eine Flutwelle über Thornhill zusammen. Von Anfang an hatte er La Floquets Rivalität gespürt, aber das war das erste Mal, daß der kleine Mann Marga ganz offen einen Antrag gemacht hatte. Und wenn sie seine Annäherung ablehnte …
    »La Floquet ist ein interessanter Mensch«, sagte sie, als sie eine Art natürlicher Laube aus miteinander verwachsenen Büschen betraten, in der es süßlich duftete. Sie hatten sie die Nacht zuvor entdeckt. »Aber ich möchte nicht Nummer Vierhundertsechsundachtzig in seiner langen Kette sein. Er ist ein Herumtreiber – auf solche Typen stand ich noch nie. Und ich bin mir ganz sicher, daß er sich nicht für mich interessiert hätte, wenn es ihm in diesem Tal nicht langweilig geworden wäre.«
    Sie war ihm jetzt sehr nahe, und in dieser Natur-Laube war auch das Licht des blauen Sterns noch ein wenig gedämpfter als sonst. Ich liebe sie, dachte er plötzlich bei sich, und einen Sekundenbruchteil später hörte er sich sagen: »Ich liebe dich, Marga.

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