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Jenseits der Zeit

Jenseits der Zeit

Titel: Jenseits der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Vielleicht bedurfte es eines Wunders, uns beide in diesem Tal zusammenzubringen, aber …«
    »Ich verstehe, was du sagen willst. Und ich liebe dich auch – das habe ich auch La Floquet gesagt.«
    Thornhill verspürte eine irrationale Aufwallung von Triumph. »Was hat er geantwortet?«
    »Nicht viel. Er sagte, er wird dich umbringen, wenn er in diesem Tal eine Möglichkeit dazu findet. Aber ich glaube, das wird er bald nicht mehr so verbissen sehen.«
    Thornhill legte einen Arm um sie; wortlos unterhielten sie sich einige Minuten.
    Dabei wurde Thornhill plötzlich klar, daß es so etwas wie Sexualität in diesem Tal nicht gab. Er verspürte kein Verlangen, kein Kribbeln, nichts.
    Absolut nichts. Ihre Nähe machte ihm Freude, aber er konnte nichts weiter für sie empfinden.
    »Das liegt an diesem Tal«, flüsterte er. »Unser gesamtes metabolisches System ist verändert worden. Wir schlafen kaum mehr als eine Stunde am Tag, wir essen kaum etwas – wenn man nicht dieses flauschige Zeug vom Himmel als Nahrung ansieht; unsere Wunden verheilen, die Toten stehen wieder auf – und jetzt noch das. Es scheint, daß im Tal ein Zauber wirkt, der alle Lebensprozesse kurzschließt.«
    »Und wir können nichts tun?«
    »Nichts«, sagte er fest. »Wir sind Haustiere, werden immer jünger und hilfloser gegenüber den Launen des Wächters.«
    Thornhill starrte schweigend in die Dunkelheit, lauschte auf das Schluchzen der Frau. Wie lange können wir so noch weiterleben, fragte er sich. Wie lange?
    Wir müssen aus diesem Tal fliehen, schoß es ihm dann durch den Kopf. Ganz gleich, wie.
    Aber werden wir uns dann noch aneinander erinnern? Oder wird alles verschwinden wie ein Kindertraum aus dem Märchenland?
    Er klammerte sich fest an sie, verfluchte seine eigene Schwäche, obwohl er wußte, daß es kaum seine Schuld war. Es gab nichts mehr, was sie einander noch sagen konnten.
    Das Schweigen wurde abrupt unterbrochen.
    Eine tiefe, rauhe Stimme sagte: »Ich weiß, daß ihr da drin seid. Kommen Sie ’raus, Thornhill. Und bringen Sie das Mädchen mit.«
    Thornhill setzte sich auf und flüsterte: »Es ist La Floquet!«
    »Was hast du vor? Kann er uns hier drin finden?«
    »Da bin ich sicher. Ich werde hinausgehen müssen und sehen, was er will.«
    »Sei vorsichtig, Sam.«
    »Er kann mir nichts tun. Wir sind hier im Tal, erinnerst du dich?« Er grinste sie an und stand ganz auf, bückte sich dann, um sich durch das niedrige Gebüsch zu drücken. Das blasse Licht ließ ihn blinzeln.
    »Kommen Sie heraus, Thornhill!« wiederholte La Floquet. »Ich gebe Ihnen noch eine Minute, dann komme ich ’rein!«
    »Nur ruhig«, rief Thornhill zurück. »Ich komme schon!«
    Er kämpfte kurz mit zwei ineinander verwobenen Lianen, die vor ihm hingen, dann trat er ins Freie. »Nun, was wollen Sie?« fragte er ungeduldig.
    La Floquet lächelte kalt. Es bestand kaum ein Zweifel darüber, was er wollte. In seinen Augen funkelte Wut, in seinem Grinsen lag ein Anflug von Mordlust. In einer Hand hielt er einen Felssplitter umklammert, dem man ansah, daß er mit großer Mühe solange bearbeitet worden war, bis er messerscharf war. In leicht geduckter Haltung lauerte der kleine Mann wie ein Panther, der bereit war, sein Opfer anzuspringen.
     
5.
     
    Abwartend umkreisten sich die beiden, der große und der kleine Mann. La Floquet schien wirklich eine mörderische Wut in sich zu verspüren – sein Unterkiefer zitterte vor Anspannung, während er Thornhill anstarrte.
    »Legen Sie das Messer weg«, sagte Thornhill. »Haben Sie den Verstand verloren, La Floquet? In diesem Tal können Sie niemanden umbringen – es funktioniert nicht.«
    »Vielleicht kann ich niemanden umbringen – aber ich kann ihn verletzen.«
    »Was habe ich Ihnen getan?«
    »Sie sind hier ins Tal gekommen; ich wäre vielleicht mit den anderen zurechtgekommen, aber mit Ihnen …! Sie waren es, der mich getrieben hat, den Berg zu besteigen. Sie waren es, der sich Marga genommen hat.«
    »Ich habe niemanden genommen. Oder haben Sie beobachtet, wie ich ihr den Arm auf den Rücken gedreht habe? Sie hat mich Ihnen vorgezogen, und das tut mir aufrichtig leid für Sie.«
    »Das wird Ihnen mehr als leid tun, Thornhill!«
    Thornhill rang sich ein Grinsen ab. Dieses Herumtanzen ging jetzt schon viel zu lange. Er spürte, daß Marga ihn aus den Büschen heraus ängstlich beobachtete.
    »Sie kleiner mordlustiger Paranoiker, geben Sie mir den Stein, bevor Sie sich damit noch selbst verletzen!« Er machte

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