Jenseits der Zeit
geschlossenen Hand hindurchleuchtete. Er warf ihn auf den Tisch, wo er kalt leuchtete. Herndon fiel auf, daß weder Heitman Oversk noch Dorgel ihren Blick länger als einen Sekundenbruchteil auf dem Stein verharren ließen, und er drehte seinen Kopf auch zur Seite.
»Fassen Sie ihn an«, sagte Benjin.
Der Stein fühlte sich eisig an. Herndon hielt ihn locker fest und wartete.
»Nur zu«, drängte Benjin ihn. »Schauen Sie genau hin, untersuchen Sie ihn. Es ist ein sehr schönes Stück, glauben Sie mir.«
Zögernd öffnete Herndon seine Finger und schaute auf den Edelstein. Durch seine breiten Facetten kam ein kräftiges Licht heraus, und – Herndon hielt die Luft an – in dem Stein war das Gesicht einer Frau zu erkennen. Mit einem verführerischen Lächeln schien sie ihn zu sich heranzuwinken; Herndon hatte das Gefühl, in einen tiefen Ozean gelockt zu werden …
Am ganzen Körper brach ihm der Schweiß aus. Mit großer Anstrengung riß er seinen Blick von dem Stein und winkelte den Arm an – Sekunden später schleuderte er den Stein mit aller Kraft in die entfernteste Ecke des Raumes. Dann fuhr er herum und griff sich Benjin.
»Verrat! Betrug!«
Seine Finger suchten nach Benjins Kehle, aber der kleine Mann entwand sich, und sofort waren Dorgel und Razumond zur Stelle, die sich zwischen Herndon und Benjin stellten. Herndon starrte Razumonds massigen Körper eine Weile wütend an, dann trat er zurück, am ganzen Leib zitternd.
»Sie hätten mich warnen sollen«, beklagte er sich.
Benjin lächelte entschuldigend. »Das hätte unseren Test verdorben. Wir brauchen nur starke Männer in unserer Organisation. Oversk, was hältst du von ihm?«
»Er hat den Stein fortgeworfen«, sagte Heitman Oversk langsam. »Das ist ein gutes Zeichen. Ich glaube, er gefällt mir.«
»Razumond?«
Der Angesprochene gab – ebenso wie Dorgel – einen zustimmenden Laut von sich. Herndon klopfte auf den Tisch und sagte: »Sie handeln also mit Sternsteinen, und Sie haben mir einen ohne Vorwarnung in die Hand gedrückt. Was, wenn ich ihm erlegen wäre?«
»Wir hätten Ihnen den Stein gegeben und Sie gehen lassen«, sagte Benjin.
»Was für Arbeit soll ich hier tun?«
Heitman Oversk sagte: »Unsere Aufgabe ist es, die Sternsteine von den Randwelten, wo sie gefunden werden, hierher zu schaffen und an jene zu verkaufen, die sie sich leisten können. Der Preis, nebenbei, beträgt fünfzigtausend Stellars. Wir selbst zahlen achttausend für einen Stein, der Transport geht auf unsere Kosten und Verantwortung. Was wir brauchen sind Aufseher, die den Weg der Sternsteine von unserer Quelle bis nach Borlaam überwachen. Den Rest machen wir dann hier schon allein.«
»Es lohnt sich«, warf Benjin ein. »Ihr Gehalt beträgt fünftausend Stellars im Monat plus volles Stimmrecht in der Organisation.«
Herndon dachte nach. Das Sternsteingeschäft war das bösartigste in der ganzen Galaxis; die hypnotischen Steine wurden schnell zu einer Sucht, und jeder, der sich ihnen länger als ein Jahr lang aussetzte, verlor den Verstand.
Süchtig zu werden, war nicht schwer. Nur ein sehr fester Charakter konnte seinen Blick von einem Sternstein, in den er einmal geschaut hatte, wieder losreißen. Herndon hatte sich als stark erwiesen. Ein Mann, der einen neuerworbenen Sklaven töten konnte, konnte sich auch von einem Sternstein losreißen.
»Wie lauten die Bedingungen?« fragte er.
»Es wird eine umfassende Verpflichtung«, sagte Benjin. »Einschließlich eines chirurgisch eingepflanzten Sicherungsgeräts.«
»Das gefällt mir nicht.«
»Wir alle tragen eines«, sagte Oversk. »Selbst ich.«
»Wenn jeder eines bei sich hat«, sagte Herndon, »wer hat dann die Kontrolle über Sie?«
»Wir machen das gemeinsam. Ich kümmere mich um die Kontakte zu den Außenwelten; Oversk macht potentielle Kunden aus. Dorgel und Razumond sind ständig unterwegs und kümmern sich um das Einsammeln und den Schutz der Steine. Wir kontrollieren uns gegenseitig.«
»Aber es muß doch jemanden geben, der die Hauptkontrolle über die Geräte hat«, protestierte Herndon. »Wer ist das?«
»Das wechselt von Monat zu Monat. Diesen Monat bin ich damit dran«, sagte Benjin. »Im nächsten ist es Oversk.«
Herndon lief erregt auf und ab. Es war ein verlockendes Angebot – fünftausend im Monat erlaubten ihm ein Leben in Luxus. Und Oversk war der Bruder von Lord Moaris, der als Vertrauter des Seigneurs bekannt war.
Und die Frau von Lord Moaris kontrollierte den Lord.
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