Jenseits der Zeit
Luft griff und in den Mund steckte.
Alle anderen waren, wie Thornhill sehen konnte, ebenfalls damit beschäftigt, Nahrung aufzufangen, bevor sie den Boden berührte. Die Tiere dieses Tales erschienen – die fetten, träge wirkenden Wiederkäuer, die terrierartigen Hunde, die katzenähnlichen Geschöpfe. Eifrig verschlangen sie das Manna vom Boden.
Thornhill griff sich ein Stück des seltsamen Stoffes, als es vor seinem Gesicht herabschwebte. Nachdem er es prüfend berochen hatte, biß er zögernd ein Stück ab und kaute langsam darauf herum.
Es war, als kaute er Watte – abgesehen davon, daß diese Watte einen scharfen, weinähnlichen Geschmack besaß. Fast augenblicklich verschwand das leise Ziehen in seinem Magen. Thornhill fragte sich, wie ein solch substanzloser Stoff wohl nahrhaft sein konnte, dann vergaß er solche Fragen, griff sich eine zweite Portion, eine dritte.
Als der Nahrungsregen schließlich aufhörte, fühlte Thornhill sich gesättigt. Mit ausgebreiteten Beinen lag er am Boden, den Kopf auf einen Stein aufgestützt.
Ihm gegenüber saß McKay. Der dürre, blasse Mann lächelte. »Soviel habe ich seit Jahren nicht mehr gegessen«, sagte er. »Hatte nie viel Appetit. Aber jetzt …«
»Woher kommen Sie?« fragte Thornhill dazwischen.
»Eigentlich von der Erde. Dann lebte ich auf dem Mars, als mein Herz begann, mir Schwierigkeiten zu machen. Man glaubte, daß die niedrige Gravitation mir helfen würde, und das geschah auch. Ich bin Professor für mittelalterliche terranische Geschichte. Ich wollte sagen, ich war es. Ich war aus gesundheitlichen Gründen von meiner Arbeit entbunden, bis ich hierher kam.« Er lächelte selbstgefällig. »Ich fühle mich hier wie neugeboren, wissen Sie? Wenn ich nur ein paar Bücher bekommen könnte …«
»Hören Sie auf«, grummelte Vellers. »Sie würden am liebsten für immer hier bleiben, nicht wahr?«
Der große Mann lag in der Nähe des Flußufers und starrte düster auf den Fluß hinaus.
»Natürlich würde ich das«, gab McKay keifend zur Antwort. »Und Miß Hardin würde es auch gern, möchte ich wetten.«
»Wenn wir Sie beide hier allein zurücklassen könnten, wären Sie sicher glücklich«, meldete sich La Floquet. »Aber das geht nicht. Entweder bleiben wir alle hier oder wir müssen alle fort.«
Es schien, als würde der Streit den ganzen Abend lang weitergehen. Thornhill wandte sich ab. Die drei Fremdwesen hatten sich so weit wie möglich auseinander gelegt, wie ihm schien; der Spicaner lag in horizontaler Stellung und wirkte dadurch wie ein großer aufgeblasener Ballon, der sich irgendwie zur Ruhe gelegt hatte; der kleine Regulaner brütete in einiger Entfernung vor sich hin und fingerte dabei gedankenverloren an seinem Halslappen herum. Der Aldebaraner saß ihm gegenüber und hörte sich stumm jedes Wort der Unterhaltung an, lächelte dabei wie ein kleiner dicker Buddha.
Thornhill stand auf, beugte sich zu Marga Fallis hinunter und fragte: »Möchten Sie mit mir Spazierengehen?«
Die Frau zögerte einen Augenblick. »Sehr gern«, sagte sie dann.
Sie standen am Ufer des Flusses und schauten dem eilig dahinströmenden Wasser nach, beobachteten goldene Fische, die mit offenen Mäulern durch das Wasser huschten. Dann lenkten sie ihre Schritte flußaufwärts, hinüber zu einer Bodenerhebung, die zu den Hügeln hinaufführte, die wiederum am Fuß der beiden mächtigen Bergspitzen lagen.
Thornhill sagte: »Dieser La Floquet – er ist schon komisch, nicht wahr? Wie ein Kampfhahn führt er sich auf, springt herum und will sich streiten.«
»Ein dynamischer Mann«, stimmte Marga ruhig zu.
»Sie und er, Sie waren die ersten hier, nicht wahr? Es muß doch seltsam gewesen sein: nur Sie beide in diesem kleinen Eden, bis dann ein dritter erschien.« Thornhill fragte sich, warum er sich nach solchen Dingen erkundigte. War es Eifersucht?
»Wir waren nur sehr kurze Zeit allein. McKay kam kurz nach mir an, dann der Spicaner. Der Wächter hat seine Sammlung sehr schnell durchgeführt.«
»Sammlung«, wiederholte Thornhill. »Genau das sind wir: Musterexemplare, die eingesammelt und in dieses Tal geschafft wurden, wie man kleine Echsen in ein Terrarium setzt. Und dieser Wächter – er ist auch ein fremdartiges Wesen, vermute ich.« Er schaute hinauf zum Sternenlosen Himmel, der immer noch taghell war. »Keiner weiß, was es zwischen den Sternen noch alles gibt. Seit fünfhundert Jahren betreiben wir Raumfahrt, und immer noch haben wir nicht alles
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