Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
festzustellen. Sie fauchte auch ihn an, doch schlug nicht nach ihm. Sie drehte einen kleinen Kreis, setzte sich possierlich hin und nahm so den Männern jede weitere Möglichkeit, irgendetwas genauer zu studieren.
„Hoppla“, sagte Ian. „Sie verteidigt ihre Keuschheit mit einigem Nachdruck. Eine Dame.“
„Ein junge Dame. Meinst du, wir können sie behalten? Ich würde sie ungern wieder raus auf die Straße werfen.“
Ian zuckte die Achseln.
„Verständlich. Behalte sie, solange Möhlner nichts dagegen hat. Aber du musst sie füttern. Diese Behausung ist zu neu, um eine Katze auf reine Mausdiät setzen zu können. Das arme Ding würde verhungern. Dann ist da auch noch das andere kleine Problem.“
„Alte Zeitungen. Gibt es massenhaft in der Akademie.“
„Wenn du ihr beibringen kannst, stubenrein zu werden …“
„Das schaffe ich schon.“
Die Katze tat einige Schritte zum Rand des Tisches und sah unsicher hinunter. Eine Pfote fuhr durch die Luft.
„Offenbar kein mutiges Exemplar. Ich habe noch keine Katze gekannt, die sich nicht getraut hätte, vom Tisch zu springen.“
„Sie ist doch noch ein halbes Kätzchen, und sie hat sich heute ganz furchtbar erschreckt. Schließlich macht es keinen Spaß, beinahe von einem großen, schwarzen Untier gefressen zu werden.“
Thorolf kraulte die Katze hinter den Ohren, und nach kurzem Zögern gestattete sie ihm das und rieb ihren Kopf gegen seine Hand.
„Das weißt du selbst am besten.“
„Eben. Das Abendessen eines Raubtiers zu werden ist kein Spaß. Armes Kattikätzchen.“
„Wirst du sie so nennen? Catty?“
„Sie braucht auf alle Fälle einen Namen. Himmel, hörst du sie schnurren?“
„Lautes kleines Ding. Sie mag es, wenn du sie streichelst.“
„Ich bin ja auch ihr Held und Retter. Ich wünschte nur …“ Thorolf beendete den Satz nicht, aber sein Lächeln erlosch, und Ian wusste, dass er wieder an das Mädchen dachte. Ein Mädchen verloren, ein Kätzchen gewonnen. Obgleich Ian verstehen konnte, warum sein Freund die Katze behalten wollte, war er sich eben so sicher, dass sie es nicht schaffen würde, ihn die Vorgänge der letzten Nacht vergessen zu lassen. Doch er sagte nichts dazu.
„Also heißt sie jetzt Catty?“
„Meinst du, Kitty wäre besser?“
„Warum nicht ein etwas schönerer Name? Im alten Ägypten waren Katzen Göttinnen.“
„Sie ist keine Göttin. Sie ist nur eine kleine Streunerin. Mit sehr weichem Fell und ungewöhnlichen Augen – nicht grün, sondern eher topasfarben.“
„Trotzdem. Katzen haben ihre Würde. Sie sollte einen besseren Namen haben. Wie wäre es mit Nofretete? Oder Nafteta? Das sind majestätische ägyptische Namen. Königliche Namen.“
„Wir rufen sie mal, dann sehen wir ja, ob sie drauf hört.“
„Nofretete! Hierher. Komm, komm!“
Die Katze sah Ian hochnäsig an.
„Catty!“, rief Thorolf, und die Katze schmiegte sich an seine Hand. „Ich denke, das war deutlich. Sie heißt Catty. Sie ist eine bayerische Katze und keine ägyptische.“
„Das ist in Ordnung, solange sie nicht anfängt zu jodeln.“
„Das würde mich überraschen.“ Thorolf nahm seine Taschenuhr zur Hand, und ein Blick darauf versetzte ihn in Panik. „Verflucht. Ich bin spät dran. Zu einer Einladung bei Professor Lybratte und Gattin sollte man sich besser nicht verspäten.“
„Miau!“ Ein hoher, nervöser Klagelaut kommentierte Thorolfs Worte.
„Ja, ich muss dich heute Abend allein lassen. Sei nett zu McMullen. Er wird dich dann nämlich vielleicht füttern.“
Thorolf eilte in sein Schlafzimmer und ließ die Tür halb offen. Nach einem kurzen Zögern sprang die Katze vom Tisch und folgte ihm zur Tür, linste drum herum und schlüpfte hinter ihm ins Zimmer.
„Sag mal, hat es irgendwelche Probleme mit deinen Leuten heute gegeben?“, schallte Thorolfs Stimme aus dem anderen Raum. „Ich meine, haben sie versucht, dich …“
„Ich lebe noch. An einer Stelle war es ein wenig knapp. Aber im Moment sieht es so aus, als wären meine Meister zu dem Schluss gekommen, dass ich verliebt bin, was meine ungewöhnliche Aura erklärt. Ich hoffe, sie glauben das auch weiterhin.“
„Ach, verliebt sein darf man? Ich meine, wo ihr doch … wo ihr doch nicht … du weißt schon.“
„Es gibt kein Gesetz, das verbietet, sich zu verlieben. Das wäre auch gar nicht möglich. Es ist nichts, was sich einfach verbieten lässt. Was zum …“
Catty, die neue Wohnungsgenossin, schoss aus Thorolfs Zimmer, rannte
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