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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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verbrannt! Jetzt muss ich mir ein neues Deck besorgen. Wie ärgerlich.“
    „Welche fehlt?“, fragte die Alte.
    „Das kann man nicht mehr erkennen“, klagte die Dame des Hauses.
    „Dann musst du den Rest durchschauen und sehen, welche fehlt.“
    „Ich kann das für Sie tun!“, bot sich das Dienstmädchen schüchtern an.
    „Sie muss es schon selbst machen“, schalt die Alte. „Ihre Karten, ihre Schlussfolgerungen.“
    Die Gastgeberin blickte ärgerlich auf den Teppich.
    „Der ist ruiniert!“, beschwerte sie sich.
    „Es tut mir leid“, murmelte das Dienstmädchen voller Reue.
    „Das war absolut nicht dein Fehler!“, verfügte die Alte. „Du hast nichts falsch gemacht.“
    „Mein Gemahl wird äußerst ungehalten sein. So ein teurer Teppich – er stammt aus China! Ihr ahnt nicht, was so etwas kostet.“
    „Ahnen wir nicht“, bemerkte die Alte. „Wozu auch?“
    „Es ist ein kaiserlicher Teppich!“, fuhr die Gastgeberin jämmerlich fort, eisern bemüht, die letzte Bemerkung zu überhören. „Das ist ein Drache, das Emblem des Kaisers von China!“
    „Ach, meine Liebe“, tröstete die Mutter der Blinden. „Ein bisschen Abschaben mit Dr. Hellers exzellenter Patentseife, und man wird es kaum noch sehen, und wenn doch, wird man nur meinen, dass dem Drachen etwas Rauch aus dem Maul kommt. Das merkt niemand. Da sieht man einfach drüber hinweg.“
    Die Alte starrte sie an. Dann lächelte sie gedankenvoll.
    „Sind noch Schnittchen da?“, fragte sie und besah sich den Drachen unter ihr noch einmal genau.
    „Ich lasse gerade noch welche nachmachen. Ich habe leider einige verdorben, weil ich sie mit Katzenminze statt mit Kresse garniert habe. Ein dummer Fehler.“
    „Wen hast du denn erwartet? Eine Katze?“

Kapitel 33
    Die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden, doch es war immer noch ein wenig zu hell für seinen Geschmack. Graf Arpad trug eine runde dunkle Brille, als er das Hotel für seinen „Abendspaziergang“ verließ. Er war elegant angezogen, seine Kleidung modisch, doch dezent, seine Halbstiefel blitzend sauber. Sein Zylinder saß ihm kerzengrade auf dem Haupt, was ihm ein recht flottes Aussehen beschied. Entgegen der herrschenden Mode hatte er keinen Spazierstock dabei, denn er zog es vor, die Hände frei zu haben. Die Diamantennadel in seiner hellgrauen Krawatte zeigte, dass er nicht nur Geschmack besaß, sondern auch ein Mann von Format und Vermögen war. Sein dunkler Umhang war vielleicht nicht mehr ganz modisch, doch er mochte es so. Kutschermäntel fand er unpraktisch. Weite Umhänge waren für so manches nützlicher.
    Bald würde es dunkel sein – für Menschen. Hell für ihn. Die Brille konnte er dann abnehmen.
    In diesem Hotel war er früher schon abgestiegen. Es war das beste in der Stadt, und niemand entsann sich seiner. Das war immer so. Wenn er es nicht ausdrücklich zuließ, erinnerten sich Menschen nicht an ihn. Selbst die, denen er auf der Straße begegnete und die ihn sahen, bemerkten zwar einen attraktiven, vornehmen Mann, gingen dann aber weiter und hatten ihn schon vergessen. Wie ein Schatten huschte er durch ihre Wahrnehmung und war verschwunden, bevor sie noch die plötzliche Dunkelheit fühlten, die ihnen an ihrem Sinn entlangstrich.
    So war es besser. Er lebte schon sehr lange – genau aus diesem Grund –, und der Zauberbann, mit dem er die berührte, die ihn bemerkten, war ihm zur Natur geworden, ergleißte schon fast, ohne dass er daran denken musste.
    Er hatte Hunger. Er jagte nicht gerne dort, wo er schlief, obgleich er es schon getan hatte, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Doch lieber war ihm, es nicht zu tun.
    Er tötete nur im Notfall. Um sich zu nähren brauchte er nicht zu töten. Er mochte das Leben, sein eigenes so wie auch die flüchtige Flamme menschlicher Existenz. Wenn er ein Opfer vollständig aussaugte, gab es eine Leiche, und die Obrigkeit würde Fragen stellen. Es war allerdings eher unwahrscheinlich, dass irgendwer vermuten würde, dies wäre das Werk von Vampiren. Ernsthafte Staatsbeamte glaubten nur selten an die Existenz seiner Art und suchten nicht nach einer metaphysischen Erklärung, solange es eine logisch plausiblere gab. Selbst wenn diese nicht stimmte. Verstarb jemand ganz plötzlich ohne Anzeichen von Gewalteinwirkung – und der Vampir hinterließ keine sichtbaren Spuren – würde man zu dem Ergebnis Herzversagen oder Gift kommen.
    Die Medizin konnte Gift nur schlecht nachweisen. Solange die Substanz nicht ganz

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