Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
blicken. Natürlich wäre es leichter gewesen, einfach nur das Gas aufzudrehen, doch Asko wollte sie eben nicht wecken.
Die Matratze schwankte. Er hatte sich gesetzt. Sie hörte, wie er leise die Krücken ablegte und sich dann mühsam in eine liegende Position brachte. Die Tür schloss sich leise.
Asko unterdrückte einen Klagelaut, während er sich in die Lage brachte, die für ihn am wenigsten schmerzhaft war. Dann lag er ganz still da. Sie hätte ihn gerne nach dem Abend bei den Lybrattes gefragt, doch das würde bedeuten zuzugeben, dass sie nicht schlief, und sie konnte ihn ja immer noch am Morgen fragen.
Sie spürte, wie er sich zu ihr drehte, hörte noch ein Ächzen und versuchte, ihr Mitgefühl zu unterdrücken und nicht darauf zu reagieren. Dann, ganz plötzlich, war seine Hand in ihrem Haar, liebkoste es sanft, kaum dass er sie berührte. Sie sog den Duft seiner Haut ein, seine Hände waren so nah. Es war ein seifiger Duft, frisch und sauber. Ein einzelner Finger fuhr ihr zärtlich über die Wange. Schon war er wieder verschwunden, und sie sehnte sich nach mehr. War das wirklich zu viel verlangt? Sie erwartete doch gar nicht, dass er Dinge versuchte, die er nicht tun konnte. Doch ihre Reaktion auf dieses winzige Anzeichen von Zuneigung zeigte ihr, wie ausgedörrt sie danach war.
Natürlich wäre es ziemlich – unziemlich gewesen, mehr von ihm zu verlangen. Er musste sich die Zeit nehmen, die er brauchte. Was er eben getan hatte, hatte er noch nie getan. Oder vielleicht doch, und sie hatte es verschlafen.
Sie merkte, dass ihr Atem sich geändert hatte, und seinen Augenblick später begann er zu reden.
„Ich habe dich geweckt. Tut mir leid.“
„Mir nicht. Es war schön, so geweckt zu werden.“
Darauf entgegnete er nichts, doch sie spürte seine grimmige Miene, fühlte, wie der Schutzwall wieder wuchs.
„War es nett bei den Lybrattes?“
„Es war interessant. Er hat mich eingeladen, ihn morgen Vormittag zu besuchen. Er möchte mir etwas zeigen. Tat sehr geheimnisvoll darum.“
„Wirst du hingehen?“ Eine dumme Frage.
„Natürlich. Ich sterbe vor Neugier.“
„Ich auch. Wirst du mir davon berichten?“
„Wenn ich kann. Wenn er mich nicht zum Stillschweigen verpflichtet.“ Er hielt inne. „Das verstehst du doch, oder?“
„Natürlich.“ Dann wäre sie wieder ausgeschlossen. „Ich würde dich nie bedrängen, dein Wort zu brechen.“
„Ich weiß. Du bist ein echter Gentleman.“
„Ach Asko. Ich weiß ja nicht, ob ich das als Kompliment sehen soll.“
„Es war aber so gemeint.“ Seine Stimme wurde eisig und distanziert.
„Dann werde ich es als solches akzeptieren. Bin ich vielleicht zu wenig damenhaft?“ Die Frage kostete sie einiges an Überwindung, und sie hätte sie auch nicht stellen sollen. Es war eine persönliche Frage, und allzu Persönliches diskutierten sie nicht mehr. Doch sie wollte eine Antwort.
„Möchtest du von mir Kritik einfordern?“ Er klang müde und verärgert. Vielleicht war es ihm ja gänzlich einerlei, ob sie damenhaft war oder nicht. Möglicherweise war es ihm nicht mehr wichtig. Sie organisierte den Haushalt, machte die Buchhaltung, überwachte die Lieferungen und seine Termine und sorgte dafür, dass er diese einhielt. Sie übernahm all das, was er selbst nicht leisten konnte. Sie wusste, dass sie fleißig und kompetent war. Doch sie wäre gerne mehr gewesen als nur das. Sie war nicht hübsch genug, um viel Bewunderung oder Lob auf diesem Gebiet einzustreichen; auch das wusste sie. ‚Kannst du denn deine Schönheit nicht im Spiegel meiner Leidenschaft erkennen? ‘ – hatte Arpad sie einst gefragt. Vielleicht war sie damals noch schön gewesen. Doch niemand sehnte sich heute nach ihr.
Ihr Gatte glaubte, sie wollte Kritik, dabei wäre ihr Anerkennung wichtig gewesen.
„Ich versuche nur, eine ehrliche Meinung von dir zu bekommen.“
„Es ist spät, Charlotte. Zu spät für eine Grundsatzdiskussion. Bitte.“
„Besser spät denn nie. Vielleicht führen wir zu wenige Grundsatzdiskussionen. Vielleicht würde das mir helfen, auf meinem spärlichen Floß aus eigenen Vermutungen nicht so planlos durchs Leben zu paddeln. Manchmal, musst du wissen, bin ich so kurz vor dem Ertrinken, dass ich mich …“ Sie schwieg. Sie hatte ihm nie gesagt, dass sie unglücklich war. Sie war auch nicht unglücklich. Sie weigerte sich schlichtweg, unglücklich zu sein. Sie hatte den Mann geheiratet, den sie liebte. Unglücklich zu sein wäre Verrat.
Er schwieg.
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