Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Welt, den ich so liebe wie meinen Sohn.
Ich werde jetzt gehen. Bitte grolle nicht. Das bringt dich nicht weiter. Wende dich an deinen Vater wegen all der Informationen, die du noch brauchst. Sei nicht zu stolz dazu. Ich hoffe inzwischen inständig, dass es dir gelingt, deinen Abscheu mir gegenüber zu überwinden. Ich werde zurück nach Salzburg fahren und auf Nachricht von dir warten. Mein ganzes Leben, wenn es sein muss. Bitte versuche doch, die Sache mit dem Herzen zu sehen und nicht aus deiner moralischen Entrüstung heraus oder mit hohlem männlichem Stolz. Ich würde gerne glauben, dass ich dich so erzogen habe, dass du solch windige Hilfsmittel nicht brauchst. Du warst immer ein aufrichtiger Mann, der sich bedeutungslosen Konventionen nie beugte. Wenn ich versucht habe, deine wildere Seite zu mäßigen, dann um dir Schwierigkeiten zu ersparen. Jede Entscheidung, die wir im Leben fällen, hat Konsequenzen. Ich muss jetzt die Konsequenzen dafür tragen, dass ich frei, ehrlich und ohne Wenn und Aber geliebt habe. Vielleicht ist mein Verbrechen nicht gar so groß, wenn du es aus der Sicht dieser Liebe betrachtest. Ich habe ihn geliebt, von ganzem Herzen. Mit allem, was ich hatte, und auch dich liebe ich, wie eine Mutter es eben tut.“
Er schwieg.
„Deine Katze sieht hungrig aus.“
Sie wandte sich der Tür zum Flur zu, ging hindurch, ohne sich umzusehen. Der Boden schien steil bergauf zu führen. Jeder Schritt war schwer, als erklimme sie ein Gebirge.
„Leb wohl, Thorolf“, sagte sie und versuchte, ihre bittere Trauer zu verbergen. Sie öffnete die Tür und trat hinaus. Einen Augenblick hielt sie die Tür offen und hoffte, noch einmal seine Stimme zu hören, aber da war nichts.
Sie schloss die Tür hinter sich und nestelte nach einem Taschentuch.
Es war geschehen. Sie hatte ihren Sohn verloren, wie sie es immer befürchtet hatte. Die Unausweichlichkeit war überwältigend.
Sie hielt sich am Treppengeländer fest, versuchte, einigermaßen gefasst zu wirken. Sie zitterte. Sie fühlte die Dielen unter ihren Füßen und das glatte Holz des Geländers in ihrer Hand nicht.
Sie begann, die Treppen hinabzusteigen, ohne zu wissen, wie sie ihre Füße setzen sollte. Ihre Knie waren weich. Sie fühlte sich so leer, als hätte man ihren Körper ausgehöhlt und er füllte sich nun langsam mit Gift und galliger Trauer.
Ihr und Arpads Sohn war aus ihrem Leben verschwunden.
Kapitel 47
Wenigstens hatte er Catty endlich Futter gegeben. Er hatte es schweigend getan, ohne dabei mit ihr zu sprechen. Sein sonst so ebenmäßiges Gesicht war vor lauter Ärger in steile Falten gelegt. Seine Hand zitterte fast unmerklich, als er die Untertasse mit den Fleischereiabfällen vor ihr auf den Boden stellte.
Er war wütend gewesen, als sie ihm sein Liebesspiel verdorben hatte. Doch jetzt war er jenseits von Wut. Sein Zorn war nicht mehr heiß. Eine seltsame Kühle ging von ihm aus. Ärger war da, Wut. Sie fühlte, wie sich die Emotionen hinter einer eisigen Fassade von äußerer Ruhe aufstauten, und noch mehr spürte sie. Er fühlte sich enttäuscht und verraten und hätte am liebsten um sich geschlagen.
Sie begriff nicht. Die Dame war so nett gewesen. Außerdem war sie sehr intelligent und hatte genau verstanden, dass Catty hungrig war. Das machte sie schon beinahe weise, für einen Menschen.
Er hätte sich nicht so benehmen dürfen. Natürlich musste es hart sein zu erfahren, dass die Mutter, die man verehrte, gelogen und in ihrer Jugend irgendetwas Ehrenrühriges getan hatte. Vermutlich war es noch schwieriger, sich damit abzufinden, dass man der Sohn eines Fremden war und nicht der des Vaters, den man gekannt hatte. Doch sie sah das ganz praktisch. Niemand würde es je erfahren. Niemand hatte es je gewusst, und es musste auch keiner wissen. Sie würde es gewiss nicht verraten, selbst wenn sie könnte. Er war nicht unehelich geboren, und wenngleich es natürlich schon recht schockierend war, dass die nette Dame offenbar ihren Mann betrogen hatte, so hatte ihre Begründung – ihre große Liebe – doch durchaus plausibel geklungen.
Sie fragte sich, wer der Vater sein mochte. Die Andeutungen, die gefallen waren, ließen ihn undurchsichtig erscheinen, und die Tatsache, dass er die Frau, die er liebte, nicht geehelicht, sondern einem anderen zur Braut gegeben hatte, klang auch recht eigentümlich. Es musste wohl ein Ehehindernis gegeben haben. Vielleicht war er schon verheiratet gewesen? Oder er war ein Prinz oder etwas
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