Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
kennengelernt.“
Charly zögerte. Ihr war schwindlig und übel, und sie konzentrierte sich darauf, nicht aufzuspringen und aus dem Zimmer zu rennen. Sophie übernahm die Konversation.
„Ich danke Ihnen, Frau Lybratte. Ihr Angebot ist sehr freundlich, doch wir sollten Sie nicht auf so unentschuldbare Weise mit unseren Problemen belasten. Ich bin sicher, dass Herrn von Orvens Diener auch überall nachfragen kann.“
„Sie belasten mich nicht. Wir haben so viel Dienerschaft … und wir helfen gerne. Es tut mir so leid, dass ich Ihnen nichts Positiveres berichten kann. Aber Ihr Herr Gemahl hat einen so erfinderischen Geist. Ich denke, wenn man sein Leben mit einem Genie teilt, dann muss man mit einem solchen Benehmen wohl bisweilen rechnen. Mein eigener Gatte ist auch schon ausgeblieben, weil er ganz plötzlich bei einem Experiment hängen geblieben ist und völlig die Zeit vergessen hat.“
Es entstand eine kurze Pause, und Sophie blickte Charly an, als erwartete sie, dass sie etwas darauf sagte. Als sie das nicht tat fuhr die Witwe fort.
„Aber Herr von Orven ist nicht in seiner Werkstatt, Frau Lybratte, und er ist nicht so … mobil wie Ihr Gatte – nehme ich an. Es ist ihm nicht möglich, einfach aufzuspringen und loszurennen, weil ihm plötzlich etwas einfällt. Ich denke, dass die Sorge meiner Freundin nicht unberechtigt ist.“
Frau Lybratte nickte.
„Natürlich. Ich wollte Ihre Not lindern und nicht kleinreden. Doch ich denke, Sie sollten heimgehen und ihn dort erwarten.“
„Auf ihn oder auf eine Nachricht darüber, was ihm geschehen ist“, fügte Miss Colpin scharf an.
Sophie sah die Gesellschafterin ihrer Gastgeberin gereizt an. Ihre Direktheit war extrem unsensibel.
„Miss Co…“, begann sie, doch Charly unterbrach sie.
„Sie haben recht“, sagte sie, und bekämpfte einen erneuten Schwindelanfall. „Genau so werden wir es machen. Joseph kann die Kliniken abfahren. Wir warten zu Hause auf meinen Mann. Vielleicht hat er ja nur einen alten Freund aus der Militärzeit besucht.“
Ihre Finger krallten sich in Sophies Arm. Sie fühlte sich abscheulich. Ihr Magen hob sich, und sie wusste nicht, wie sie hier herauskommen sollte, ohne dass ihr übel wurde. Sie kannte das Gefühl. Sie hatte es mehr als nur einmal gespürt.
„Danke für Ihre Geduld und Mühe. Richten Sie Ihrem Mann herzliche Grüße aus. Ich hoffe, er wird uns verzeihen, dass wir nicht auf ihn gewartet haben. Wir müssen jetzt nach Hause. Vielen Dank für Ihr Hilfsangebot. Glauben Sie mir, ich weiß es wirklich zu schätzen, doch es wird nicht nötig sein.“
Sie hatten sich alle erhoben, und Charly konzentrierte sich eisern darauf, von einer Sekunde zur nächsten zu kommen.
„Geht es Ihnen nicht gut?“, fragte Miss Colpin. „Sie sehen unwohl aus.“
Charly schluckte.
„Es geht mir gut. Danke. Wir müssen jetzt gehen.“
Sophie stand neben ihr, und Charly fühlte deren Verwirrung ob der jähen Flucht. Fünf Schritte bis zur Zimmertür. Vielleicht sechs. Sieben sogar. Sie musste es schaffen, das Haus zu verlassen, ohne sich zu übergeben. Wenn ihr schlecht würde, würden sie sie dabehalten. Sie wollte nicht bleiben.
Sie wollte keine Sekunde mehr bleiben.
„Lass uns heimfahren. Vielleicht ist er ja inzwischen dort.“
„Willst du wirklich …“
„Ja.“
Ein Schritt, noch einer. Das konnte doch nicht so lange dauern. Sie war nun an der Tür zum Flur. Frau Lybratte öffnete ihr und musterte sie sorgfältig.
„Geht es Ihnen wirklich gut?“ Helle, grünliche Augen hielten ihren Blick fest. Sie waren wie ein Zwang. Witzig, intelligent und charmant waren nicht die ersten Worte, die Charly beim Anblick der Professorengattin durch den Kopf gingen, obgleich sich diese Worte offensichtlich allen anderen sofort aufdrängten. Dennoch fühlte sie zugleich den kaum zu überwindenden Drang, der Frau ihr Leben anzuvertrauen – und das Askos. „Gibt es wirklich nichts, das wir für Sie tun können?“
In Ruhe lassen konnten sie sie. Das war das einzige, was Charly wollte. Sie kämpfte gegen ihren jäh aufkeimenden Gehorsam an. Alles wird gut, sagte sie sich. Lass dir einfach helfen. Sie sind charmant. Sie sind zuvorkommend. Alles wird gut.
Nichts war gut. Asko war fort.
„Danke für Ihr Entgegenkommen. Es tut mir leid, dass wir so spät über Sie hergefallen sind. Aber mir geht es gut. Wirklich. Es war nett von Ihnen, sich meine Sorgen und Nöte anzuhören.“
Noch ein Schritt, und sie stand im Flur. Das aufwendige
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