Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Bodenmosaik war ihr vorher nicht aufgefallen. Hübsch. Die Linien des geometrischen Musters verschwammen vor ihren Augen. Kreise, Quadrate und Dreiecke. Sie konzentrierte sich verzweifelt darauf. Ein so passendes Ornament für den Flur eines Physikers. Wenn Asko erst mehr mit seinen Erfindungen verdiente, würde er so ein Muster sicher auch gern haben. So er heimkam. So ihm nichts geschehen war.
Sie ging am Flurspiegel vorbei. Ein Hausdiener half ihr in die Pelerine. Sie murmelte ein pflichtbewusstes Dankeschön und musste sich zurückhalten, Sophie nicht voranzuschubsen. Noch fünf Stufen. Sie sollte bleiben und die Suche Frau Lybrattes Dienerschaft überlassen. So viele Diener, und alle waren so hilfsbereit. So charmant. So nett. Sie wollte nun doch bleiben.
Fortlaufen wollte sie.
Man öffnete ihr die Vordertür. Eine Laterne erleuchtete den Kiesweg zum Gartentor. So spät. So spät sollte sie nicht unterwegs sein, und Sophie auch nicht. Diese netten Leute würden ihr helfen. Dann bräuchte sie nicht durch Nacht und Dunkelheit.
Ihr Magen krampfte sich zusammen. Die Stufen hinab. Ihre Knie waren weich.
Es gelang ihr, all die freundlichen Beteuerungen von sich zu geben, die man von ihr erwartete. Dabei versuchte sie, ihrer Gastgeberin nicht in die Augen zu sehen. Sie hielt ihr Lächeln eisern auf ihrem Gesicht fest, denn sie wusste, wenn sie es verlor, würde sie es nicht zurück auf ihre Züge zaubern können. Plötzlich lag sie in Miss Colpins Blick gefangen. Die grau-braunen Augen waren freundlich, aber doch distanziert. Charly riss sich aus dem Bann. Wie viel Zeit es doch brauchte, um von hier wegzukommen! Jede einzelne Sekunde schien sich in die Ewigkeit zu strecken.
Sophie verabschiedete sich erneut, und sie verließen den Vorbau, den Vorgarten, traten durchs Gartentor, hörten, wie es sich hinter ihnen schloss. Es war ein fabelhaftes Geräusch. Sie gingen zum Wagen, wo Joseph auf sie wartete. Charly musste nichts sagen, Joseph und Sophie halfen ihr beide in die Kutsche. Sie lehnte sich zurück, sagte immer noch keinen Ton.
Sophie ließ sich ebenfalls hineinhelfen und setzte sich neben sie.
„Was um Himmels willen ist los?“, flüsterte sie.
„Lass uns heimfahren. Schnell, Joseph.“
Mit einem Ruck fuhr der Wagen an und ratterte über das Steinpflaster. Es war inzwischen dunkel. Joseph hatte die Kerzen in den Laternen angezündet. Die Huftritte hallten laut auf der stillen Straße. Die Villen am Straßenrand warfen riesige Schatten.
Sie fuhren um die Ecke, dann um noch eine. Charly hielt die Augen geschlossen und fühlte die Bewegung des Wagens, ohne zu sehen, wohin es ging.
„Was ist, Charlotte?“, fragte Sophie.
Charly atmete tief ein. Die Luft war klar und frühlingsfrisch. Ihr Magen beruhigte sich.
„Sie haben versucht, mich magisch zu manipulieren. Sophie! Sie haben Zauber gegen mich gewirkt!“, flüsterte sie, damit Joseph nichts hörte. „Du weißt, ich kann es fühlen. Ich kann es nicht verhindern, aber ich spüre es, und es macht mich krank. Mir wird übel davon. Ich weiß nicht, wer oder was sie waren, aber sie verstanden die Kunst der magischen Gleisnerei.“
„Du meinst, das waren Fey?“
„Nicht notwendigerweise. Vielleicht waren sie Meisterinnen – falls es so was gibt. Ich habe nur den Bann gespürt und beinahe die Beherrschung verloren.“
Eine Hand drückte ihre.
„Geht es dir besser?“
„Mir ist nicht mehr so übel. Aber was machen wir jetzt?“
„Wenn sie Fey sind, dann kann es schon sein, dass sie mit dem Verschwinden deines Gatten etwas zu schaffen hatte. Obgleich ich das kaum glauben kann. Sie waren so ungemein nett und hilfsbereit. Ich habe sie ausgesprochen gerngehabt. Natürlich ist diese Miss Colpin ein wenig zu forsch und direkt, doch ich war mir sicher, dass sie es nur gut gemeint hat. Vollkommen sicher war ich mir. Sie erschien mir intelligent und fähig. Ich will deine Wahrnehmung nicht anzweifeln, doch es fällt mir nicht leicht, das zu glauben.“
„Glaub es besser. Es ergibt einen Sinn. Einen grauenhaften, eiskalten, schlüssigen Sinn. Ich wünschte, es wäre nicht so. Im Augenblick wäre es mir sogar lieber, Asko wäre gestürzt und hätte sich etwas gebrochen oder läge ohne Bewusstsein im Krankenhaus.“
„Aber du glaubst nicht, dass er dort ist.“
„Nein. Das glaube ich nicht. Wir fahren erst einmal heim und fragen, ob es etwas Neues gibt, und dann ... dann weiß ich nicht weiter.“
Der Schock über das, was sie vermutete,
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