Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
wusste nicht mehr, wie man die Gedanken anderer Menschen zielgerichtet erreichte. Er versuchte, sich Suttons Gesicht zu vergegenwärtigen.
„Sie meine ich“, murmelte er. „Hören Sie mich!“
Was mochte den Mann wecken? Das Bild eines nackten Mädchens – ehemals Tigerkatze? Zu angenehm und keine Erinnerung, die ein Gentleman weitergeben würde.
Ein Alptraum?
Ian konzentrierte sich auf Thorolfs Bild, von der Spinne. Jedes Detail sandte er in die Nacht hinaus. Schwarze Krallen, riesige Ausmaße, klaffende Mäuler. „Ich suche Sie“, sandte er seine Gedanken. „Wachen Sie auf, ich brauche Sie. Eigens zu Ihnen bin ich gekommen. Ich brauche Sie jetzt, gleich. Spüren Sie die Gefahr! Es ist Gefahr im Anzug. Große Gefahr. Ich brauche Sie. Ich bin gleich hier bei Ihnen und warte darauf, dass Sie mich einlassen.“
Eine Frau schrie. Dann ein Mann. Hinter den Vorhängen mancher Fenster wurde es hell.
Er hatte den Alptraum der ganzen Straße geschickt. Ihm wurde schwindlig, in seinem Kopf surrte es. Bilder flogen durcheinander. Er hielt sich an der Stufe fest, auf der er saß, versuchte sich an der steinernen Realität festzukrallen.
Energielinien schwirrten um Ian, und er duckte sich unter ihnen hinweg, fiel zu Boden, während das Bild der Spinne sich in seinen Gedanken immer wieder verfestigte. Es wuchs, wurde dunkler, blockierte das Licht der Straßenlaternen und das der Sterne am Himmel. Was hatte er getan? Löste man so das Phänomen der Energielinien aus? Indem man zu starke Fey-Magie wirkte?
Das hatte er nicht gewusst. Nun bezahlte er für seine Unwissenheit. Die Dunkelheit erreichte sein Denken, sank durch ihn hindurch, bis nur noch Schwärze übrig war.
„Danke, Sie können jetzt gehen“, hörte er eine Stimme und dann ein paar klimpernde Münzen. Eine Tür wurde geschlossen.
Ian merkte, dass er auf dem Rücken lag. Sein Kopf war auf ein Kissen gebettet. Er öffnete die Augen.
„Nun“, knurrte Sutton wütend, der eben zurückkam. Vermutlich war dies sein Wohnzimmer. „Ich weiß nicht, wie Sie es angestellt haben, aber Sie haben die ganze Stadt mit einem üblen Alptraum versorgt. Ich bin davon aufgewacht.“
Ian sah sich verdutzt um.
„Der Hausmeister half mir, Sie hochzutragen. Sie waren auf der Straße zusammengebrochen.“
„Oh.“
„Ich hatte Angst, die Energielinien hätten Sie diesmal erwischt. Aber nein. Kein Koma. Nur völlige Überanstrengung eines verblödeten Primaners. Was um Himmels willen hatten Sie nur vor? Mir Angst einzujagen? Was genau habe ich verbrochen?“
Die Stimme des Amerikaners klang verdrießlich.
„Ich wollte Sie nur wecken. Es tut mir leid.“
Der ältere Logenbruder öffnete ein Schränkchen, nahm zwei Gläser und eine Karaffe heraus, die eine goldbraune Flüssigkeit enthielt.
„Sie wollten mich wecken? Ihre Kommunikationsversuche sind ebenso eigentümlich wie ekelhaft. Übrigens haben Sie Nasenbluten.“
„Oh.“ Ian zog ein Taschentuch aus seiner Tasche.
„Überanstrengung. Was Sie getan haben, hätte Sie das Leben kosten können. Ich hoffe, Sie haben einen wirklich guten Grund dafür, und ich würde ihn verdammt noch mal gerne hören.“
„Sie sind wütend auf mich. Das tut mir leid.“
Sutton stellte ein gefülltes Glas neben ihm ab und nahm einen Schluck aus dem anderen.
„Also, was sollte das?“
„Es tut mir leid, Bruder Sutton. Es sollte kein Streich sein. Ich brauche dringend Ihre Hilfe. Sie haben doch angeboten, mir zu helfen.“
Der Adept stand reglos, ohne Ian auch nur einen Augenblick aus den Augen zu lassen.
„Ich wusste nicht genau, wo Sie wohnen. Die Haustür war zu ...“
„Sie hätten zur Hintertür gehen und den Hausmeister wecken können. Er hätte Sie zu mir gebracht. Oder erschien ihnen das zu alltäglich?“
Ian fühlte sich sehr dumm.
„Tut mir leid. Daran habe ich nicht gedacht. Ich brauchte Sie, und ich dachte, wenn ich Ihnen einen Traum schicke, dann würde Sie das vielleicht wecken. Ich war mir nicht mal sicher, dass das funktionieren würde. Ich weiß nicht mal genau, wie ich das gemacht habe.“
„Wie Sie das gemacht haben? Ausnehmend effizient. Der Großmeister könnte auf die gleiche Weise kaum mehr Schaden anrichten. Sie haben fast eine Massenpanik ausgelöst. Was hat Sie nur dazu bewogen, eine menschenfressende Riesenspinne in die Gedanken der Schläfer zu schicken? Das Gefühl von immenser, imminenter Gefahr wird die gesamte Bevölkerung tagelang in Panik halten, und wenn sie erst feststellen,
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