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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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möchten Sie um Frau Treynsterns Ehre willen davon Abstand nehmen, ihr Kind einen Mörder zu heißen – obwohl es dafür keinen Beweis gibt. Ich kann mir nicht denken, dass Sie Frau Treynsterns Schmerz noch dadurch vergrößern möchten, dass Sie den Leichnam ihres Sohnes für Untersuchungen und Experimente vorsehen.“
    Der jüngere Mönch sah sie streitlustig an.
    „Wir müssen aber …“
    „… die letzte Ölung nachholen“, schloss der Pater überfreundlich. „Posthum, in diesem Falle. Doch unsere Pflicht müssen wir tun. Bleiben Sie erst einmal hier und erholen Sie sich. Sie können sich dann von ihm verabschieden, wenn wir mit ihm fertig sind.“
    Sophie verbarg das Gesicht in den Händen, wusste nicht, was sie noch tun sollte. Ihr Kopf war seltsam leer, nicht einmal ihre eigene Sicherheit schien noch eine Rolle zu spielen. Würden die Männer Thorolfs Andersartigkeit auch nach seinem Tod noch feststellen können? Oder hatte diese nur mit seinem Leben zu tun, und jetzt da er tot war, war er wie alle anderen Menschen? Genauso tot? Genauso kalt? Genauso fort?
    Der Gedankengang zerriss sie fast.
    „Ich will ihn mitnehmen“, murmelte sie und entsann sich erst dann, dass sie in dieser Stadt nicht zu Hause war.
    „Wir nehmen ihn mit nach Hause“, sagte Charly.
    „Natürlich“, sagte Hundthammer. „Die Schwanbergerin wird alles für Sie richten.“ Er blickte ärgerlich die beiden Mönche an, die sich bereits zur Tür gewandt hatten. „Ich werde Sie zum Dahingeschiedenen begleiten.“
    „Das ist nicht nötig. Sagen Sie uns nur, wo wir ihn finden.“
    „Ich bringe Sie hin.“ Er ließ keinen Zweifel daran, dass er darüber nicht diskutieren wollte.
    Die Männer verließen das Büro. Nur die Alte stand noch an der Tür. Ein wenig später trat sie vollends ein. Sie richtete sich auf, und die unterwürfige Ausstrahlung verschwand von einem Moment auf den nächsten. Sie trat auf Sophie zu und zog ihr die Hände vom Gesicht, bevor Charly noch einschreiten konnte.
    „Hören Sie auf zu weinen. Ich mache Ihnen den Jungen fertig und schicke ihn dahin, wo Sie ihn haben wollen.“
    „Danke“, antwortete Charly. „Ich schreibe Ihnen die Adresse auf. Oder vielleicht sollten wir ihn gleich in die Kapelle bringen lassen …“
    „Nein. Nicht die Kapelle. Wenn er da aufwacht und rumläuft … nach dem Spinnentraum von gestern Nacht halten ihn dann alle noch für den Antichristen.“
    „Was?“ Sophie schrie es beinahe.
    „Nehmen Sie Ihr Halbblut mit nach Hause. Ich weiß, wenn einer ein Mörder ist, und der war keiner. Zumindest noch nicht. Aber die …“ Sie machte eine Geste in Richtung der Männer, die den Raum verlassen hatten, „… die sollen ihn auch nicht kriegen. Die wüssten doch mit einem Wunder gar nichts anzufangen. Er ist wahrlich kein Lazarus, und Julia heißt er auch nicht.“
    Sie zog sich die Haube wieder ins Gesicht und verfiel erneut in ihre gebeugte Pose.
    „Also trauern Sie jetzt um ihn und um das Leben, das er verloren hat. Bereuen Sie den Tag, an dem Sie sich mit jemandem vergangen haben, der kein Mensch war. Die Kinder müssen immer dafür bezahlen. Immer die Kinder. Der junge Herr Treynstern ist nun tot.“

Kapitel 72
    „Er kommt zu sich!“, sagte eine Frauenstimme weit entfernt von Ians Verstand. Der Schall waberte wie ein durchsichtiger Schleier zwischen ihm und der Welt. Ian brachte ihn nicht in Einklang mit dem Bergmassiv, das sein Denken geformt hatte. Er träumte. Doch das war unmöglich, denn er selbst war der Weber der Träume. Oder nicht? Der Salzfels schmolz aus seinem Sinn, und er begriff, dass er irgendwo lag.
    „Gott sei Dank!“
    Eine weitere Stimme. Die kannte er: Sutton. Eine Hand ergriff seine Schulter und schüttelte ihn.
    Ian schlug die Augen auf und sah sich um. Er befand sich in einem der Gästezimmer der Loge, lag dort auf einem weichen Bett. Diese Räume waren den umherreisenden Logenbrüdern vorbehalten, die sich bisweilen hier einfanden. Sie waren gut ausgestattet, doch zumeist standen sie leer.
    Jemand hatte ihm den Rock ausgezogen und den Hemdkragen geöffnet. Er spürte eine kühle Brise auf der Haut. Frühlingsluft. Sein Geist wirbelte erneut durch die Erinnerung an Schneeschmelze in den Bergen. Tausende von Frühlingen rasten durch sein Gedächtnis und verschwanden in der Erkenntnis, dass die Erinnerungen nicht ihm gehörten. Schon war das beklemmende, fremde Gefühl in ihm verschwunden, und er versuchte, den Nachgeschmack daran irgendwo in der

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