Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Bruder Gabriel. Sie sagen, es wäre dringend. Es geht um den Mörder …“ Der Mann warf Sophie einen schuldbewussten Blick zu und hüstelte nervös. „Es geht um den Verdächtigen, der letzte Nacht verhaftet wurde.“
„Ich habe Besuch.“
Das klang unfreundlich, und Sophie war nicht sicher, ob der Mann sich über ihre Anwesenheit ärgerte oder über die Unterbrechung.
„Sie sind sehr insistent!“, drängte der Sekretär.
„Bitten Sie sie zu warten …“
Die Tür wurde aufgestoßen, und zwei Neuankömmlinge betraten mit der gewichtigen Würde fremdländischer Gesandter den Raum, so dass der Sekretär nur noch Platz machen konnte. Zwei Mönche, dachte Sophie und sah dann ihre Amulette. Sie konnte nur raten, doch sie hatte keine Zweifel, was das für Gäste waren. Sie blickte zu Charly hinüber, die auch einen Augenblick lang extrem beunruhigt wirkte. Ganz unwillkürlich hatten sie sich beide von ihren Stühlen erhoben, um sich nach den neuen Gästen umzusehen. Nun senkten sie demütig ihre Blicke und versuchten, unauffällig zu wirken. Das letzte Mitglied dieser Organisation, das sie getroffen hatten, hatte keinerlei Skrupel gehabt, all die Menschen aus dem Weg zu räumen, die ihm in die Quere kamen.
„Verzeihen Sie, Direktor Hundthammer“, sagte der ältere der beiden Kuttenträger. „Dies ist von höchster Wichtigkeit und muss entsprechend sofort behandelt werden.“ Er streckte die Hand aus, in der er ein Dokument hielt, das ebenso wichtig und hochoffiziell aussah wie alt und vergilbt. „Dies ist das königliche Schreiben, das uns das Recht garantiert, jeden Gefangenen zu befragen, der verdächtig ist, unnatürlicher Abkunft zu sein.“
Der Gefängnisdirektor starrte sie geringschätzig an.
„Wir haben keine Gefangenen ... unnatürlicher Abkunft. Ich bin kein mittelalterlicher Kerkermeister. Ich sammle keine Hexen oder Hexenmeister, keine Gespenster oder Poltergeister. Ich leite eine Königlich Bayerische Strafanstalt und keinen Schauerroman.“
Sophie holte vorsichtig Luft. Die Luft fühlte sich an wie gebrochenes Glas. Woher wussten die beiden, dass es hier etwas zu finden gab? Was wussten sie über Thorolfs Abstammung? War dies ein Versuch auf gut Glück vonseiten jener Leute, die von sich glaubten, das Gute zu repräsentieren?
Wenn sie seinen Halbblutstatus feststellten, würden sie ihn ermorden. Sophie selbst würden sie vielleicht auch umbringen wollen, um eine Sünderin zu strafen, die vom Pfad der Tugend abgekommen war und mit dem Feind gelegen hatte. Jeden würden sie verfolgen, der irgendetwas mit Arpad zu tun hatte. Sie würden auch versuchen, Arpad zu finden, um ihn zu eliminieren. Hatten sie ihn vielleicht schon gefunden? Ließ er deshalb nicht von sich hören? Alles, was zwischen ihr und den ihren und der gesamten Brutalität der Bruderschaft stand, war die aufrechte, sachliche Sturheit eines königlich bayerischen Beamten.
Die Welt rauschte in ihren Ohren. Sie merkte, dass Charly sie stützte. Sie wäre am liebsten geflohen.
Doch sie blieb stehen.
„Ihre ach so fortschrittliche Haltung ändert nichts, Herr Hundthammer. Würden Sie jetzt bitte einen Blick auf das Dokument werfen?“
Der Direktor nahm es und entfaltete es. Er steckte sich sein Monokel vors Auge und begann zu lesen. Nach einigen Augenblicken sah er wieder hoch.
„Das ist fünfzig Jahre alt und wurde von König Maximilian unterschrieben. Es mag Ihnen ja entgangen sein, Hochwürden, aber unser derzeitiger Souverän ist König Ludwig II., dessen Urenkel.“
„Das Erlaubnisschreiben ist noch immer gültig. Es ist zeitlich unbegrenzt ausgestellt worden.“
„Damals hatten wir noch keine Verfassung. Folter war noch erlaubt, und der König hatte noch keine religiöse Freizügigkeit gestattet. Wir leben in moderneren Zeiten, Hochwürden.“
Der Diener Gottes trat einen Schritt vor.
„Ihre liberale Weltanschauung ist mehr als erstaunlich. Ich frage mich, ob sie für einen so hohen Beamten in der Tat angemessen ist. Ob ihre Vorgesetzten wohl um Ihre politischen Ansichten wissen? Oder wissen sollten?“
„Es liegt absolut nichts Revolutionäres darin, des Königs Gesetze in des Königs Gefängnis zu zitieren, Hochwürden. Ich verwahre mich aufs Entschiedenste gegen Ihre Anspielungen. Also, Hochwürden und verehrter Bruder Gabriel, wenn Sie hierher gekommen sind, um dem Gefangenen die letzte Ölung zu erteilen, dann bitte ich Sie, tun Sie das. Der Mann liegt im Sterben. Ich lasse Sie gerne hinbringen, und Sie
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