Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
Vom Netzwerk:
ich tun kann!“
    „Stellen Sie sich hinten an!“
    Sutton sah nicht überzeugt aus, doch dann warf er Mantel, Handschuhe und Hut ab und stieg in den Kreis. Das halblange Haar erhob sich um seinen Kopf wie ein Heiligenschein. Wortlos kniete er sich hinter Ian und legte seine Hände auf dessen Schultern.
    „Bruder McMullen, ich werde nicht vergessen, dass ich Ihnen dieses Schlamassel hier zu verdanken habe“, brummelte er. „Ich bin gekommen, um unsere Loge zu befreien und nicht, um Ringelreihen zu spielen.“
    „Hat er Angst um seine Loge? Ganz zu Recht …“ Die Spinne hielt inne und unterdrückte einen Fluch. Thorolf schlang endlich die Arme um Catty und zog sie zu sich. Die Spinne, die immer noch ihre Handgelenke hielt, krabbelte auf sechs Beinen vorwärts.
    Cattys Leib war eiskalt. Thorolf spürte, wie ihre Haut seine Finger gefror und keuchte vor Schreck. Dann begann er, vor Schmerz zu stöhnen. Die Kälte war so intensiv, dass sie ihn verbrannte.
    Ihr Kupferhaar lag an seiner Schulter, und Funken stoben daraus hervor. Ihre Augen blickten immer noch nach oben und leuchteten in unheimlichem, weißem Licht. Dies tat gewiss sehr weh, dachte er und zog sie noch näher, um ihr etwas von seiner eigenen Körperwärme zu geben. „Nicht sterben, Kleines“, dachte er. „Dass du mir nur nicht stirbst!“
    Einen Augenblick später schnappte sein Kopf zurück, und sein Blick wurde weiß. Eine Sekunde lang flüsterten ihm seine überlasteten Sinne ein, aufzuspringen und davonzurennen. Doch er blieb, fühlte die kalte junge Frau in seinen Armen, zwei Hände auf seinen Schultern, die – was sehr untypisch schien – leicht bebten. Er fühlte, wie die tröstende Dunkelheit gegen die alles versengende Weißglut kämpfte, die in ihm von den Eingeweiden bis zu den Augen loderte, fühlte einen Traum seine Seele erreichen, der ihm vorgaukelte, er schwömme in einem kühlen, angenehmen Bergsee, wo es kein Inferno gab, nur die weit entfernte Herbstsonne auf den schneebedeckten Gipfeln. Er erkannte Ian, der eine Alternative wob, in der er nicht in einem Glutofen schmolz. Dann fühlte er, wie eine menschliche Macht sich aufbaute, hörte ein rhythmisches Trommeln und ein seltsam monotones Singen in einer fremden Sprache.
    Er sah nicht, was geschah. Doch er hatte die Szene in wirren Farben auf seiner geistigen Palette, Weiß für Catty, Grau für ihn selbst, Schwarz für seinen Vater, Hellrot für McMullen und ein erdiges Braun für Ians Freund. Eine Säule verschiedener Farben schraubte sich chaotisch nach oben.
    Er tauchte mit dem Sinn in die Farben ein, zwang sie in ein Muster wie mit einem Pinsel, verlangsamte ihre allzu schnelle Bewegung nach oben ins Firmament. Fast gelang es ihm, dann verließ ihn die Kraft, und er sank schwach und frustriert zurück, doch die Aufgabe wurde von dem Mann hinter ihm übernommen, der weitere Farbstränge ordnete und ihnen mit scharfen, schwarzen Linien Sinn und Kontur gab.
    Atmen wurde schwierig. Ihm fiel erneut ein, dass er immer wieder bereut hatte, das Mädchen nicht geküsst zu haben. Auch diesmal war es wieder zu spät.
    Formen waberten. Was sie waren, konnte er nicht ausmachen, Menschen in ekstatischer Verzückung? Weiße Wolken einer weißen Welt, in der eine Kreatur sich wand und kringelte, seufzte, keuchte und sich räkelte. Nichts ergab einen Sinn. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er direkt in von Orvens Gesicht, das jenseits von bloßem Vergnügen war, irgendwo zwischen Wahn und Schmerz, Ekstase und Reue. Das blonde Haar wehte im Sturm, die blassblauen Augen glitzerten einen Moment lang raubtierschwarz und verwandelten sich dann wieder in den Morgen eines dunklen Jägers nach einer Nacht voller Jagd.
    Wo war sein Schwert? Thorolf hatte es fallengelassen. Es lag nicht mehr in seiner Hand. Er hatte nur noch das Mädchen gesehen. All dies war falsch. Er hätte die Spinne angreifen sollen, hätte sie umbringen sollen, sie erstechen, ihr sämtliche Beine einzeln ausreißen. Die Spinne – oder den oder diejenige, für die sie diese grausige Scharade veranstaltete.
    Es war jenes schuppige, bleiche Wesen, das den Raum jenseits von Thorolfs Begriffsvermögen beherrschte. Es nahm ihn wahr, erfasste seine Präsenz. Silbergrüne Augen betrachteten ihn wie einen Nachtisch, eben serviert.
    Doch die schillernden Augen verloren das Interesse an ihm. Er war keine Herausforderung, keine Gefahr, nichts, womit man sich befassen musste. Er war schon besiegt und zerschlagen, sank immer tiefer ins

Weitere Kostenlose Bücher