Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
halten und meinen Körper … störungsfrei. Besonders jetzt.“
„Wieso besonders jetzt?“
„Wir leben in gefährlichen Zeiten, mein Freund.“
„Gefährlich? Der Krieg ist vorbei!“
„Davon rede ich nicht. Ich rede von … ist ja auch egal. Spürst du denn nichts Außergewöhnliches?“
„Was denn?“
„Unwichtig. Ich dachte nur, deine Wahrnehmung wäre … aber egal.“
Der Künstler bedachte den Freund mit einem verständnislosen Blick. Er hatte nichts Außergewöhnliches gespürt, wenn man davon absah, dass er sein Land verlassen hatte, ein neues Betätigungsfeld angegangen war, viele berühmte und interessante Leute traf und ihm demnächst auch noch eine Diskussion mit seiner Mutter über die Wahl seines Lebenszieles ins Haus stand. Wenn er all das bedachte, war die Atmosphäre vielleicht wirklich etwas angespannt. Dinge warteten darauf, sich zu ereignen. Das war aufregend. Vielleicht sogar etwas beklemmend, aber keinesfalls gefährlich.
McMullen erklärte nicht, was er meinte. Nun, das musste er auch nicht.
„Also, du bist kein Freimaurer?“ Thorolf schlug ein langes Bein über das andere, und nun konnte man seine orientalischen Hausschuhe bewundern, die zum Hausmantel passten.
„Es wäre mir neu, dass Freimaurer im Zölibat leben. Aber da ich keiner bin, weiß ich es nicht mit absoluter Sicherheit zu sagen.“
„Was uns zurück zur ursprünglichen Frage bringt. Was tust du in einer Loge – wenn du kein Freimaurer bist?“
„Mein lieber Treynstern, stell dich nicht dumm. Du weißt längst, dass es sich um eine Magierloge handelt. Du weißt wahrscheinlich auch, dass ich dir mehr dazu nicht sagen darf.“
„Skandalös!“, seufzte Thorolf und strafte seine eigene Aussage mit einem interessierten Grinsen Lügen. „Meine Mutter wird schockiert sein.“
„Nein. Du vergisst, dass ich die Ehre hatte, ihr schon zu begegnen. Deine Mutter ist eine kluge, besonnene und aufgeschlossene Dame – und dazu scharfsinnig und mutig.“
Thorolf sprang auf, lief um seinen Stuhl herum und stützte sich kühn auf dessen Lehne ab.
„Wie kommt es, dass jeder, den ich kennenlerne, offenbar meine Mutter kennt und sie absolut wundervoll findet? Ich gebe ja zu, was Mütter angeht, ist sie nicht verkehrt, aber sie ist der Inbegriff braver Biederkeit. Du hättest mal die Strafpredigten hören sollen, die sie mir gehalten hat, wegen einiger meiner … kleinen Affären des Herzens.“
„Du bist ihr Sohn. Sie verhält sich vermutlich dir gegenüber anders.“
„Wie hat sie sich dir gegenüber verhalten?“
„Klug, besonnen, aufgeschlossen, scharfsinnig und mutig sind die Worte, die mir zuerst einfallen.“
„Erzähl mir von eurem Treffen! Ich muss sagen, ich habe mich für die privaten Unternehmungen meiner Mutter nie sehr interessiert. Ich habe allerdings auch nicht geglaubt, dass sie über freiwillige Fronarbeiten für die heilige Mutter Kirche, Kaffeeklatsch mit anderen Damen der Gesellschaft und das Lesen moralisch einwandfreier Literatur hinausgehen.“
Ian lächelte.
„Frag sie am besten selbst.“
„Du willst doch nicht andeuten, sie hätte etwas … Anstößiges getan?“ Thorolf runzelte die Stirn.
„Du lieber Himmel, nein. Jetzt spieß mich nicht mit Blicken auf, als wolltest du mich fordern. Zum einen ist es mir nicht erlaubt, mich zu duellieren, und zum anderen bin ich einen Kopf kleiner als du und würde einen Ringkampf gegen dich nachhaltig verlieren. Deine Mutter ist untadelig, Treynstern. Unerreicht. Sie hat die schwierigsten Situationen mit Stil, Anstand und Grazie gemeistert, und ich denke mal, man muss schon ausnehmend gute Umgangsformen haben, wenn man einen völlig unbekleideten, grünhaarigen Wassermann in einer Höhle trifft und so tut, als sei er adäquat gekleidet.“
„Was?“
„Frag sie selbst!“
„Du willst mich reinlegen, mein Freund, und ich werde mich fürchterlich rächen! Meine Mutter würde nie einen völlig unbekleideten, grünhaarigen Wassermann in einer Höhle treffen. Sie würde überhaupt niemanden unbekleidet in einer Höhle treffen. Schon gar nicht grünhaarige Fey-Kreaturen, da diese gar nicht existieren.“
Ians Augen wurden rund vor Überraschung.
„Du – glaubst nicht an die Sí?“
„Natürlich nicht. Dies ist das 19. Jahrhundert, du lieber Himmel. Wir malen das Phantastische, um uns für den Verlust des Aberglaubens zu entschädigen. Hast du denn nichts vom Zeitalter der Vernunft gehört? Ist das spurlos an deiner Loge
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