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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Da er Thorolfs ungewöhnlichen wirklichen Vater gesehen hatte, würde er vermutlich von allein gewisse Schlüsse ziehen.
    Sie hätte es Thorolf längst sagen sollen, aber irgendwie schien es nie der richtige Zeitpunkt zu sein.
    Sie steckte den Brief wieder in ihren Pompadour. Das würde nicht einfach werden. Zudem musste sie auch darauf achten, dass sie ihre junge Freundin und Gastgeberin nicht noch zusätzlich belastete, indem sie ihr von ihrer Not vorjammerte. Die junge Frau hatte vermutlich ihr eigenes Päckchen zu tragen.
    Sophie dachte an den Brief, den sie ihrem einstigen Liebhaber, ihrem lebenslangen Freund geschickt hatte.
    „Vermutlich wird er nie mehr mit mir sprechen“, hatte sie geschrieben. „Ich weiß nicht, was ich tue, wenn er mich für meine Liebe zu Dir verachtet. Mir würde gewiss das Herz brechen.
    Versteh mich richtig, mein werter Freund. Ich bereue nichts – und habe nie die Jahre bereut, die ich in Deiner Obhut als Deine Liebste verbracht habe – als die Frau, die Du zur Liebe erkoren hattest. Ich habe mich frei dazu entschlossen, Deinen Sohn zu gebären, damit er mich immer an Dich erinnert. Er ist mir Lebensinhalt geworden, nachdem Du fort warst.
    Ihn zu verlieren war immer meine größte Angst.
    Du bist sein Vater. Sprich mit ihm. Ich bitte Dich darum.“

Kapitel 10
    „Gehst du heute nicht in die Loge?“, fragte Thorolf. Er war in einen abgetragenen Brokathausmantel gehüllt, der verriet, dass er wohl vermögend genug war, sich wirklich ausgefallene Modeschöpfungen zu kaufen, aber nicht vermögend genug, dies regelmäßig zu tun. Die Kastanienlocken standen ihm ungekämmt vom Haupt ab, seine grauen Augen waren zu schmalen Schlitzen zusammengepresst, als wäre die Morgensonne, die hell durchs Fenster hineinschien, der Feind. Thorolf hasste den frühen Morgen. Er war schlichtweg zu grell.
    Sein Wohnungsgenosse sah bereits ordentlich, adrett und vorzeigbar aus. Seine düstere, konservative Kleidung, der hohe, gestärkte Kragen, die graue, ungeschmückte Krawatte, schwarze Weste und Gehrock, all das stand in völligem Kontrast zur übermäßigen Farbigkeit von Thorolfs Stil à l ’ égyptien. Er besaß passend dazu sogar einen Fez, doch er kam sich darin töricht vor. Diese orientalische Mode war aufgekommen, als die Suezkanal-Gesellschaft mit ihrem ungeheuren Unterfangen begonnen hatte, einen Ozean mit dem anderen zu verbinden.
    McMullens rotblondes Haar war kurz, brav und ordentlich gekämmt, sein kleiner rötlicher Schnurrbart sah so gleichmäßig gestutzt aus, als hätte ihn ihm jemand ins Gesicht gemalt. Er wirkte ernsthaft, viel zu ernst für seine Jugend. Er war um einige Jahre jünger als Thorolf, dennoch gelang es ihm, älter und weiser zu wirken, dabei hätte wegen seiner kleinen Statur im Grunde das Gegenteil der Fall sein müssen.
    Er war zudem Frühaufsteher, und Thorolf war das keinesfalls. Es machte ihm allerdings auch nichts aus, denn Ian verstand es, sich beinahe lautlos zu bewegen.
    „Nimm dir eine Tasse Kaffee, Treynstern!“, schlug der junge Schotte vor und gab dem größeren Mann die Kanne.
    „So viel Extravaganz mitten in der Woche“, spottete Thorolf und holte sich eine Tasse. Sie hatten sich einige wenige Regeln zu eigen gemacht, an die sie sich – eigentlich – halten wollten. Doch in der kurzen Zeit ihres Zusammenlebens hatte sich bereits herausgestellt, dass keiner von ihnen Regeln ohne Ausnahmen akzeptierte. Kaffee nur sonntags. Kräutertee, so waren sie übereingekommen, würde für Wochentage völlig ausreichen. Nun schienen sie noch über schier unerschöpfliche Vorräte an Kräutertee zu verfügen, während der Kaffeevorrat schon bald zur Neige ging.
    Soweit zu Regeln. Nicht dass Thorolf besonders gut darin gewesen wäre, sich an Regeln zu halten. Er hatte immer das Gefühl gehabt, dass diese im Grunde etwas für andere Leute waren, für Leute, die nicht so waren wie er. Das war natürlich nicht richtig. Regeln galten für jeden. Nur war es ihm erstaunlich oft gelungen, diejenigen, die ihn störten, auch erfolgreich zu ignorieren.
    „Aye, das ist über die Maßen verschwenderisch. Meine Mutter wäre schockiert.“ Ians Grinsen wirkte ein wenig wehmütig. „Aber sie hat die letzten eineinhalb Jahre nicht aufgehört schockiert zu sein – meinetwegen. Also macht das mit dem Kaffee vielleicht auch keinen Unterschied mehr.“
    „Da die Welt ohnedies voller Verschwendung ist, sollten wir dringend dafür sorgen, dass, wenn schon verschwendet wird, wir

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