Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
hätte, ihr Herz in ihre Hände zu bekommen.
Doch so spielen können würde sie nicht, auch wenn sie die nächsten hundert Jahre übte. Sie spielte mit Gefühl. Er spielte die Gefühle selbst, und es schienen gleichermaßen auch ihre Gefühle zu sein.
Die Tür öffnete sich, und sie sprang auf, als ihre Stiefmutter in den Raum trat. Das Konzert endete abrupt. Lord Edmond stand von seinem Instrument auf und wandte sich der Tür zu.
„Frau Lybratte“, grüßte er, und seine Stimme klang so sanft und samtig, dass sich Cattys Herz verkrampfe. Sie fand nicht, dass ihre Stiefmutter eine solch bevorzugte Behandlung verdiente.
„Lord Edmond“, gab Lucilla zurück und schenkte ihm eines ihrer bedeutungslosen Lächeln. „Ich wusste gar nicht, dass wir Besuch haben.“ Sie blickte Catrin strafend an. „Doch ich hätte mir denken können, dass, wer immer hier Klavier spielte, nicht gut meine Tochter sein konnte.“
Catrin lief rot an.
„Liebe Frau Lybratte, Sie sind zu streng. Ihre Tochter hat den ersten Satz der Sonate wirklich sehr hörenswert gespielt. Es war die Musik, die mich in diesen Raum verschlagen hat, obwohl ich eigentlich auf Ihren werten Gatten wartete. Ich habe mich verleiten lassen, bitte verzeihen Sie mir mein unverschämtes Eindringen.“
„Sie kamen, um meinen Gatten zu sprechen?“, fragte Lucilla, und Catrin stellte zu ihrer Verwirrung fest, dass sie das offenbar amüsierte.
„Ich wüsste gerne mehr über sein Projekt. Doch das kann natürlich warten. Es hat keine Eile.“
„In diesem Fall …“ Lucilla machte eine Geste, die nahe legte, dass sie nicht daran schuld sein wollte, wenn er seine Zeit mit Warten verschwendete. Das Ganze war ausnehmend unhöflich, und Catrin begriff nicht, wie ihre Stiefmutter so eminent unfreundlich sein konnte. Sie fürchtete, dass er nun gekränkt sein, gehen und nie mehr zurückkommen würde.
Er jedoch ignorierte Lucillas unausgesprochenen Rausschmiss, strahlte sie nur an und fuhr fort:
„Da habe ich eine viel bessere Idee! Es ist ein so schöner Frühlingstag. Warum fahren wir nicht gemeinsam aus? Mein Kutscher wartet ohnedies draußen mit dem Wagen, und ich meine mich zu erinnern, dass München über sehr hübsche Parkanlagen verfügt.“
„Es tut mir außerordentlich leid. Ich fürchte, ich habe so gar keine Zeit im Moment, mit Ihnen auszufahren. Ich bin untröstlich.“
Das schien ihn nicht zu stören, denn er fuhr fort: „Nun, vielleicht möchten Sie in diesem Fall Fräulein Lybratte erlauben, mit mir auf einen kurzen Ausflug zu kommen? Die Frühlingsluft würde ihr sicher gut tun, und Sie können sich darauf verlassen, dass ich gut auf sie achtgebe.“
Einen Augenblick lang glaubte Catrin, Lucilla würde vor Empörung überkochen. Doch ihre Stimme wurde nur etwas leiser.
„Mein guter Lord Edmond. Sie mögen das nicht ausreichend bedacht haben! Ich kann doch ein junges Mädchen, das noch nicht einmal in die Gesellschaft eingeführt ist, nicht mit einem alleinstehenden Herrn, den sie eben erst kennengelernt hat, allein durch die Landschaft schicken. Was sollten die Leute denken?“
„Die Leute mit ihren kleingeistigen Verdächtigungen denken immer furchtbare Dinge, nicht wahr?“, lächelte er liebenswürdig.
„Touché“, dachte Catty.
„Doch ich kann mir nicht denken, dass eine Rundfahrt in einem offenen Wagen, vielleicht in Begleitung eines Dieners oder ihrer Zofe, gar so viel Kritik hervorrufen würde.“ Er drehte sich zu Catrin um. „Möchten Sie mit mir ausfahren, Fräulein Lybratte?“
Oh ja. Gewiss würde sie das. Sehr sogar. Doch sie wusste, dass ihr Enthusiasmus sie keinen Schritt weiterbringen würde.
„Wenn meine Stiefmutter es für richtig hält“, gab sie brav zurück und hoffte, dass ihre Chancen größer würden, wenn es ihr gelang, die Dame nicht zu verärgern. Sie bewunderte ihre eigene Zurückhaltung.
„Nur ein Stündchen“, bat er nochmals und senkte den Blick seiner schönen grauen Augen in den Lucillas. Die lächelte säuerlich. Sie war erstaunlich resistent gegen seinen Charme. In der Tat schien sie eher amüsiert als beeindruckt von ihm.
„Eine halbe Stunde, und ich komme mit.“ Lucilla gelang es, nicht allzu ärgerlich zu klingen. „Wir werden bei unserer Putzmacherin vorbeischauen, denn das hatte ich ohnehin vor. Sie, Mylord, werden sich entsetzlich langweilen. Doch Sie wissen, dass Ihnen das recht geschieht. Nicht wahr?“
Er verbeugte sich.
„Ich langweile mich nie in so ausnehmend schöner
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