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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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lächelte, streckte ihm die Hand entgegen, ließ diese dann jedoch fallen, ohne ihn zu berühren.
    „Thorolf, ich bin deine Mutter, und es ist mir klar, dass du ein bestimmtes Bild von mir hast, eine Vorstellung, wie ich bin. Aber hast du dir jemals überlegt, dass ich vielleicht ganz anders sein könnte? Ich war nicht mein ganzes Leben lang immer eine Mutter. Ich war auch nicht von Anfang an immer schon eine respektable Witwe. Ich war auch nicht von Jugend an alt.“
    „Du bist nicht alt!“, protestierte er. „Du bist mit Sicherheit die schönste Mutter, die ein Mann haben kann, meine Liebe, und gar nicht alt.“
    „Gehobenen Alters dann eben. Aber darum geht es nicht. Was ich dir zu sagen versuche ist, dass es eine Zeit in meinem Leben gab, in der ich jung und hübsch war.“
    „Schön. Ich bin mir ganz sicher, dass du in deiner Jugend sehr schön warst.“
    Sie seufzte lächelnd.
    „Tatsächlich gab es Leute, die das so sahen. Weißt du, Ludwig I. wollte mich für seine Schönheitsgalerie. Er wollte mich von Stieler malen lassen, aber ich habe abgelehnt. Doch das wollte ich gar nicht erzählen. Jetzt hast du mich doch in meiner Eitelkeit bestärkt, mein Junge. Das solltest du wahrlich nicht. Es ist nichts so peinlich wie eine Frau über Fünfzig, die sich ihrer längst vergangenen Pracht und Herrlichkeit rühmt.“
    Sie atmete tief ein, um fortzufahren, doch er unterbrach sie.
    „Stieler hätte dich porträtiert, und du hast abgelehnt? Mama! Wie konntest du nur! Stell dir vor, da hätte man jetzt ein Bild von deiner … vergangenen Pracht und Herrlichkeit … das man noch Jahrhunderte später bewundern könnte, und du hast abgelehnt? Warum um Himmels willen hast du das getan?“
    „Ich wollte nicht, dass man allzu sehr auf mich aufmerksam wird. Wenn man für die Galerie eines Königs ausgesucht wird, für eine Sammlung der Frauen, die er als besonders schön ansieht, so macht einen das doch ein wenig … offensichtlich. Ich wollte nicht weithin bekannt werden. Ich wollte nicht, dass jemand darüber nachdenkt, wer ich eigentlich bin. Ich komme auch gleich zum Grund dafür. Hör mir einfach nur zu …“
    „Ich könnte jetzt in die königliche Galerie gehen – manchmal ist sie für die Öffentlichkeit zugänglich –, und dann könnte ich mir anschauen, wie meine Mutter als Mädchen ausgesehen hat. Du hättest dich malen lassen sollen.“
    „Habe ich. Es gibt ein gutes Bild von mir, aber es ist in Privatbesitz.“
    „Wem gehört es?“
    „Dazu komme ich gleich. Lass mich einfach weitererzählen.“
    „Ich würde es wirklich gerne sehen.“
    „Ich auch. Als ich jung war, gab es noch keine Daguerreotypien oder photopraphischen Apparate. Dieses Bild ist der einzige Beleg darüber, wie ich einmal aussah. Doch ich werde es wohl nie wiedersehen.“
    „Warum nicht? Wem gehört es? Vielleicht kann man es ja zurückkaufen!“
    „Er wird sich nicht davon trennen wollen.“
    „Wer?“
    „Der Mann, der es in Auftrag gegeben hat. Er wollte es als Andenken.“
    „O lala! Meine Mutter hatte einen Verehrer! Was hat denn Papa dazu gesagt?“
    „Mein lieber Junge, ich habe deinen Papa geheiratet, da war ich schon dreißig. Es ist vermutlich schwierig für Kinder, sich vorzustellen, dass Eltern auch ein Leben hatten, bevor sie zu Eltern wurden, aber ich hatte ein Leben. Genau darüber will ich ja mit dir reden. Ich hoffe inständig, du hörst mir zu.“ Sie machte eine Pause und seufzte. „Leicht ist das freilich nicht für mich.“
    Er starrte sie an, versuchte zu verstehen.
    „Hat es mit McMullens wilder Geschichte darüber zu tun, dass du einem defizitär gekleideten Wassermann in einer Höhle begegnet bist?“
    „Nein. Jedenfalls nicht direkt. Seine Durchlaucht, der Fürst des Wassers, der grünhaarige Herr, auf den du anspielst, hat keine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt. Er ist nur jemand, den ich im Ausseer Land getroffen habe und – ganz ehrlich – lieber nicht getroffen hätte.“
    Thorolf glotzte sie einen Augenblick lang an, wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
    „Ich glaube, ihr habt euch alle verschworen, euch einen Jux mit mir zu machen! Hast du von Orven und McMullen überredet, mir Augen und Ohren mit Märchendunst zu vernebeln?“
    „Das ist kein Märchendunst! Kannst du nicht einfach mal still dasitzen und zuhören? Sieh mich nicht so an! Was ich dir zu sagen habe, wird dir nicht gefallen, aber du musst versuchen, es zu glauben. Das ist wichtig. Es ist wichtig für dich

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