Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
auf ungefähr fünfzig Jahre. Er hatte schütteres graues Haar und einen Dreitagebart. Er trug ein kurzärmliges Hemd, das offen stand, weil alle Knöpfe außer einem abgefallen waren. Es gab den Blick auf seinen dicken gebräunten Bauch frei. Der Mann hatte ein offenes, fröhliches Gesicht.
»Hallo«, erwiderte Jonathan den Gruß.
»Ein Engländer! Hier draußen! Das ist ja mal was, das man nicht alle Tage zu sehen kriegt«, begeisterte sich der Tankwart.
»Allzu viele Londoner haben Curtin Springs bestimmt noch nicht besucht«, erwiderte Jonathan erschöpft lächelnd.
»Das können Sie laut sagen. Ganz schön weit weg von zu Hause, was, Kumpel?« Der Tankwart warf einen Blick in Jonathans Wagen.
»Wir sind ganz schön weit weg von allem«, antwortete Jonathan und wedelte sich eine Fliege vom Gesicht. Es war so unglaublich still hier, verglichen mit der Londoner City.
»Wohl wahr. Ich bin Bernie Edwards, Eigentümer und einziger Betreiber dieses erstklassigen Unternehmens. Ich und meine bessere Hälfte, wir sind seit zwanzig Jahren hier, haben hier vier Kinder großgezogen, alle zu Hause unterrichtet. Jetzt sind sie erwachsen und arbeiten in der Stadt. Aber ich und meine Tillie, wir wollen nirgendwo anders leben, und hier«, er wies auf das Haus, »wollen wir auch mit den Füßen voran rausgetragen werden.«
Jonathan hätte gern gefragt, wieso, befürchtete jedoch, die Erklärung würde ganz Bücher füllen. Er schwitzte auch zu sehr und war zu müde zum Zuhören. »Ich bin Jonathan Maxwell, und die junge Dame hier ist Marlee Drazan.«
»Tag, Marlee. Wie wär’s, hättest du gern ein Eis?« Marlees Augen leuchteten. »Darf ich, Jono?«
»Klar«, erwiderte Jonathan.
»Geh rein und sag Tillie, ich hätte gesagt, du kannst ein Eis haben«, sagte Bernie.
Marlee gehorchte allzu gern. Sie nahm ihren Teddy und rannte ins Haus. Wohl auf der Suche nach Schatten trottete ihr der Hund hinterher.
»Wollen Sie tanken?«, fragte Bernie Jonathan.
»Ja«, antwortete Jonathan. »Und ich möchte meine Benzinkanister auffüllen.«
Bernie begann, den Oldsmobile zu betanken. »Wo sind Sie denn her?«
»Coober Pedy«, sagte Jonathan. »Wir sind auf dem Weg zum Ayers Rock.«
»Bisher alles glattgegangen unterwegs?«
»Kann man nicht gerade sagen. Etwa fünfzig Meilen von hier bin ich gegen einen Steinbrocken gefahren und habe mir den Kühler aufgerissen.«
»So ein Pech aber auch. Wie haben Sie das repariert?«
»Ich hab es gar nicht repariert. Ein paar Aborigines sind wie aus dem Nichts aufgetaucht und haben den Kühler in Ordnung gebracht. Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie das geschafft haben.«
»Wie haben sie das denn gemacht?«
Jonathan erklärte es dem Tankwart. »Ich hätte nicht gedacht, dass der Stopfen hält. Er hat gehalten.«
»Wird wahrscheinlich ein Leben lang halten«, erklärte Bernie voller Zuversicht.
»Woher wissen sie bloß, wie man so was macht? Die haben selbst doch gar keine Autos.«
»Sie finden Fahrzeuge, die liegen geblieben sind und die man verlassen hat, und die bringen sie wieder in Ordnung. Die sind hier schon mit Autos vorgefahren, die einen Platten gehabt haben. Sie flicken die Reifen mit Spinifex. Manchmal fehlen die Türen oder das Dach ist weggeschnitten. Mich überrascht gar nichts mehr. Aber eins muss man ihnen lassen, die kommen immer wieder mit cleveren Ideen. Als Automechaniker hier draußen, wo man nur schwer an Ersatzteile kommt, muss ich mir selbst oft was Cleveres einfallen lassen. Sie können mir glauben − von denen hab ich mir ein paar Ideen abgeguckt, auf die ich allein nie im Leben gekommen wäre. Ich hab schon erlebt, wie die einen Ast von einem Baum als Querträger benutzt haben. Einige von denen sind die geborenen Buschmechaniker.«
»Ich bin so dankbar, dass sie vorbeigekommen sind. Als ich die Speere sah, hab ich schon das Schlimmste befürchtet.«
»Die Speere hatten sie bloß dabei, weil sie auf der Jagd waren. Die laufen nicht durch die Gegend und bringen Weiße ohne guten Grund um, meistens jedenfalls nicht. Wo ist Ihre Frau?«
»Ich habe keine Frau. Ich bin Marlees Vormund.«
»Wie kommt das denn?«
»Ihre Eltern sind vor Kurzem gestorben. Ihre Mutter war eine Aborigine, ihr Vater ein kroatischer Minenarbeiter. Ich bin aufdem Weg zum Ayers Rock, weil ich glaube, dass die Kleine da Verwandte bei den Aborigines hat.«
»Da tun Sie gut dran. Abo-Kindern geht es am besten bei ihren eigenen Leuten.«
»Meinen Sie wirklich?« Bei dem Gedanken
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