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Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman

Titel: Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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noch. Es ist ein Frigidaire aus dem Jahr 1937. Er funktioniert noch genau wie an dem Tag, als ich ihn bekam.«
    »Sechs Monate hat es gedauert, bis der hier war«, sagte Bernie.
    »Bis dahin musste ich mich mit einem altmodischen Eisschrank begnügen, der ganz und gar mit Kork ausgekleidet war, weil manhier weit und breit kein Eis bekam. Ich habe schreckliche Erinnerungen daran. In diesem ersten Jahr hatten wir auch noch einen der heißesten Sommer, die ich je erlebt habe«, sagte Tillie. »Wenn wir die Lebensmittel nicht innerhalb von zwei Tagen verbrauchten, wurden sie schlecht.«
    »Hatten Sie denn damals Strom für den Kühlschrank?«, fragte Jonathan.
    »Bis vor einem Jahr, als wir richtigen Strom bekamen, mussten wir einen Generator benutzen. Ich habe ihn mit der Windmühle verbunden«, erklärte Bernie. »Jetzt benutze ich ihn nur, wenn der Strom mal ausfällt. Ich betreibe ihn mit Benzin.«
    »Und dieser Kühlschrank? Wie ist der hergekommen?«, fragte Jonathan.
    »Er musste mit dem Zug von Adelaide transportiert werden«, antwortete Bernie.
    »Aber der Zug hält hier in der Nähe doch gar nicht, oder?«
    »Nein, und ich konnte den Kühlschrank nicht mit einem Lastwagen herbringen lassen, weil die Lkw-Fahrer sich alle weigerten, von der Hauptstraße runterzufahren, und selbst die war damals nicht viel mehr als ein unbefestigter Pfad. Also musste der Afghan-Expresszug einen Extrahalt etwa dreißig Meilen östlich von Erldunda einlegen. Der Kühlschrank wurde ausgeladen und auf eine Art Einspänner verfrachtet, den normalerweise Kamele ziehen. Vor zwanzig Jahren ist praktisch alles mit Kamelen zu uns befördert worden. Es gab viele Verzögerungen, Tillie hat mir schon gedroht, sich scheiden zu lassen. Wahrscheinlich hat der Kühlschrank unsere Ehe gerettet.«
    »Das war so ein aufregender Tag, als mein Frigidaire eintraf«, sagte Tillie zärtlich.
    »Man hätte meinen können, es hätte mitten im Sommer geregnet«, meinte Bernie lachend.
    Tillie zwinkerte Marlee zu. »Hat’s dir geschmeckt, Süße?«, fragte sie.
    Marlee nickte und strahlte. »Ich mag Limonade«, sagte sie.
    Normalerweise war die Kleine schüchtern und zurückhaltend, vor allem Weißen gegenüber, die sie nicht kannte. Aber mit Tillie lachte und plauderte sie, als würden sie sich schon jahrelang kennen.
    »Wissen Sie, ob zu den Stämmen um den Ayers Rock herum auch die Anangu gehören?«, fragte Jonathan nun die Edwards.
    »Der Rock ist das Stammesgebiet der Anangu Pitjantjatjara«, erklärte Tillie.
    »Ich glaube, dass Marlee Onkel, Tanten und eine Großmutter bei einem Anangu-Clan hat«, bemerkte Jonathan, während Marlee draußen mit dem alten Hund spielte. »Ich habe leider keine Ahnung, ob sie wissen, dass ihre Mutter gestorben ist. Wenn ich es schaffe, mich mit ihnen zu verständigen, könnte das ein richtiger Schock für sie sein.«
    »Ich bin sicher, sie wissen es«, erwiderte Tillie. »Diese Art Nachrichten verbreiten sich unter den Eingeborenen sehr schnell. Selbst wenn die Verwandten Hunderte von Meilen entfernt sind, werden sie es erfahren haben. Es dürfte eine große Freude für sie sein, wenn Sie ihnen Marlee bringen.«
    »Das will ich hoffen«, sagte Jonathan.
    »Sie scheinen sich nicht sehr sicher zu sein«, meinte Tillie. »Machen Sie sich Sorgen, dass Sie womöglich nicht das Richtige tun?«
    »Ja. Ich mache mir tatsächlich große Sorgen. Ich habe keine Ahnung, wie ich es schaffen soll, mich von ihr zu verabschieden. Und ich weiß nicht, wie sie darauf reagieren wird, wenn ich sie bei fremden Leuten lasse. Ich wäre gern sicher, dass man sich gut um sie kümmert, auch wenn ich nicht weiß, wie ich das in Erfahrung bringen soll. Ich habe ihrem Vater versprochen, dass ich mich seiner Kleinen annehme. Ich habe ihm mein Wort gegeben. Also, um ehrlich zu sein, ich habe nicht das Gefühl, dass ich das Richtige tue.«
    »Die Zuneigung, die Sie für die Kleine empfinden, beruht offenbar auf Gegenseitigkeit. Es ist also ganz normal, dass Sie beide sich sehr nahestehen. Anfangs wird es für Marlee bestimmt merkwürdig sein, bei dem Stamm zu leben. Sie müssen die Situation, die Sie vorfinden, irgendwie einschätzen, mehr können Sie nicht tun. Geben Sie dem Kind Gelegenheit, seine Familie kennenzulernen. Beobachten Sie, ob sie eine Bindung zu Marlee aufbaut. Wenn Sie feststellen, dass sie sich wohl bei ihren Verwandten fühlt, wird es Ihnen leichter fallen, sich von ihr zu verabschieden. Auf lange Sicht gesehen wird sich die Kleine

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