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Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt

Titel: Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audur Jónsdóttir
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tippen, sagt er trocken, greift mir unter den rechten Arm und hilft mir auf. Ich spiegele mich in seinen Augen: befleckt von Erbrochenem, mit laufender Nase und Tränen in den Augen. Er muss in mir eine Patientin sehen.
    Kommen Sie, sagt er väterlich. Ich sage einer Putzfrau Bescheid, die das hier sauber macht, und Sie sollten sich auch sauber machen.
    Eine Viertelstunde später sitze ich gewaschen in einem Sprechzimmer, kippe ein Glas Wasser herunter und sehe mir ein gerahmtes Bild an, auf dem Gardar ein kleines Mädchen in die Luft wirft. Um sie herum ist dichter Wald, vielleicht irgendwo in Skandinavien.
    Ist das die Tochter …
    Von Arndís, sagt Gardar, der hinter einem Schreibtisch sitzt. Meine Stieftochter. Die kleine Hera Benediktsdóttir, die jetzt bei einem Babysitter ist wegen dieser verdammten Wochenenddienste. Er lächelt schief, schluckt seinen Ärger und runzelt die sonnengebräunte Stirn, während er die Patientin betrachtet. Wollen Sie mir nicht erzählen, warum Sie hier sind?
    Ich wollte Ihnen von den Männern aus Marokko erzählen.
    Männer aus Marokko?, wiederholt er. Aufrichtige Verwunderung scheint aus seinen Augen, die wieder die Farbe verändern, braun, grün, braun. Was für Männer denn um alles in der Welt? Ich sage, dass ich gehofft hätte, er wüsste Bescheid über sie, sie folgten mir seit Tagen und haben mich einmal sogar bedrängt und nach Arndís gefragt.
    Was sagen Sie da?
    Es scheint so, als würden die nach ihr suchen. Einer von ihnen kommt mir irgendwie bekannt vor, von früher, aus Barcelona, aber sicher bin ich mir nicht. Kann auch sein, dass ich mir das einbilde.
    Sind Sie sich denn sicher, dass Sie sich diese Männer … an sich … nicht auch eingebildet haben?
    Aber ja. Der Sohn meines Mannes hat sie auch gesehen. Und außerdem kam in den Nachrichten eine Fahndungsmeldung nach ihnen.
    Sind Sie denn schon bei der Polizei gewesen?, fragt er besorgt.
    Ich zucke zusammen, die Kraftlosigkeit wiegt schwerer als Beton, als ich ihm die Sache erkläre: Dass eine Polizistin mich verhört habe, ich aber erst mit ihm sprechen wollte, bevor ich die Polizei in die Sache reinziehe, falls er mir die Sache erklären könnte.
    Die Sache mit diesen Männern?
    Ich dachte, Sie wüssten vielleicht etwas. Über Arndís. Und … Marokko.
    Gardar fällt es schwer, seinen Zorn zu verbergen, während er mich bittet, sofort die Polizei zu informieren, wenn ich das Gefühl haben sollte, etwas zu wissen.
    Vielleicht, murmele ich. Aber Sie wissen wirklich nichts? Irgendetwas. Wenn Sie noch einmal darüber nachdenken.
    Er lässt die Schultern sinken und behauptet, noch nie in seinem Leben in Marokko gewesen zu sein. Arndís sei einmal da gewesen, als sie noch jung und verrückt war, und habe Herta dort in der Wildnis zur Welt gebracht, soviel er weiß, schließlich war ja diese Heldentat damals in aller Munde gewesen. Benedikt hatte unter diesen Umständen einen Kaiserschnitt gemacht, der so spektakulär war, dass er lange Zeit ein Lieblingskind der Medien war. Kaum mit dem Studium fertig, bot Futura nostra ihm eine Stelle als Assistenzarzt an und stellte ihm eine Festanstellung in Aussicht – dieses berühmte Unternehmen, das nur die Besten der Besten einstellte.
    Seine Augen füllen sich mit Trauer. Schwankende Äste von Bäumen spiegeln sich in ihnen, während er sich an das Schicksal seines Kommilitonen erinnert, trotz seines trainierten Körpers wirkt er kraftlos.
    Benedikt hatte schon vorher zu den besten Medizinstudenten gezählt, aber der Medienrummel um seine Heldentat in Marokko machte aus ihm einen Supermann. Natürlich ergriff er die Gelegenheit, im Auftrag dieses visionären Unternehmens um die Welt zu reisen, sagt Gardar gedankenverloren. Es war doch ein Abenteuer, wie es sich jeder junge Mann wünschte, mit einem perfekt ausgerüsteten Ärzteteam in arme Länder zu fahren und dort komplizierte Operationen zu machen. Über das mobile Krankenhaus wurde in aller Welt groß berichtet und dadurch ein Gegengewicht geschaffen zu der umstrittenen Forschung an embryonalen Stammzellen, die Futura nostra ebenfalls betrieb. Es war also auch eine raffinierte Imagekampagne. Die kritische Berichterstattung über die Stammzellenforschung war dazu verdammt, in Heiligengeschichten über Dr. Zardari zu ertrinken, der treibenden Kraft des Unternehmens. Wer weiß, wie tief ein Mann mit dem Ehrgeiz von Benedikt in die internen Strukturen eindringen konnte? Aber Dr. Zardari hatte natürlich nicht damit

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