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Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt

Titel: Jenseits des Meeres liegt die ganze Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audur Jónsdóttir
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Niemand hatte jemals daran gezweifelt. Als sie nach Island zurückkehrten, kümmerten sich die Ärzte aus Bennis Familie um das Kind und wunderten sich nicht darüber, wie gut entwickelt es für sein Alter bereits war. Die Sonne Afrikas musste sehr vitaminreich sein.
    Du hast sie umgebracht, flüstere ich, als Arndís ihre Geschichte beschließt. Meine Worte reißen sie aus den Erinnerungen. Nein, ich habe ihr geholfen, erwidert sie sanft.
    Aber sie ist tot!
    Ich wollte ihr helfen, das schwöre ich dir. Sie wollte das Kind nicht, sie hatte Angst davor, Sunna. Sollte sie das Kind etwa alleine aufziehen? Die Chance dazu hätte sie doch nie bekommen. Wenn ich nichts getan hätte, würden sie jetzt beide im Elend leben, meine Hera und sie. Oder ihnen wäre längst etwas zugestoßen! Die Zeitungen sind voll von solchen Geschichten.
    Ich muss lachen. Dafür, dass du so über Fatimas Familie denkst, hast du aber ganz gerne mit ihren Cousins geflirtet.
    Halt den Mund!
    Das verfehlt seine Wirkung nicht. Ich weiche ihrem Blick aus und sehe aus dem Fenster auf mein vom Sturm geschütteltes Auto. Dann frage ich vorsichtig, warum sie Hera bei Gardar gelassen habe. Das entspannt die Atmosphäre ein wenig.
    Ich weiß nicht, ob die wissen, dass sie lebt, sagt sie kleinlaut. Selbst wenn man davon ausgehen kann, dass Fatimas Familie nichts von dieser Französin weiß, bleibt die Möglichkeit, dass sie mir auf die Schliche gekommen sind. Vielleicht haben sie einen Detektiv engagiert, der clever genug war, das alles herauszufinden. Wer weiß. Wie dem auch sei, die größte Gefahr ist weiterhin die, dass sie mich mit Hera zusammen sehen. Und mit ihr zusammen zu verschwinden wäre auch keine gute Idee gewesen, das wäre in der Schule sofort aufgefallen und hätte einen riesigen Aufruhr gegeben – da hätten die alles getan, um uns so schnell wie möglich zu finden. Und dass Gardar nichts von der Sache weiß, ist besser für uns alle. Er glaubt, dass meine Adresse geheim ist, weil ich meine Ruhe vor aufdringlichen Künstlern haben will. Arndís lacht leise, lässt den Kopf aber hängen. Sie kämpft mit den Tränen, als sie sich zwingt, mich anzusehen, mit rot geäderten Augen und hartem Blick. Manchmal passieren schlimme Dinge, Sunna. Die nie hätten passieren dürfen. Aber sie passieren.
    Dagegen lässt sich wenig sagen. Als auch sie das spürt, errötet sie, steht auf, macht ein paar Schritte auf mich zu und packt mich. Bitte, du darfst niemandem etwas davon erzählen. Du darfst mir nicht meine Tochter wegnehmen, keiner von uns würde das überleben – erst recht nicht sie. Glaub mir, ich wollte nie, dass es so endet, ich wollte Fatima helfen. Ich würde es nicht aushalten, Hera zu verlieren. So wenig, wie ich mich von dem Mord an Benni erholt habe. Das war einfach nur furchtbar. Du weißt doch, wie er starb. Starb! Er, der so schön war. Und dunkelhaarig. Alle glaubten sofort, dass Benni ihr Vater war. Wir hatten es ja selbst geglaubt.
    Sie kann nicht anders als lachen. Dann bittet sie mich, den Rest der Polizei zu überlassen. Die wirft die drei Männer bestimmt schon bald aus dem Land. Und wenn sie etwas Unkluges sagen, würde denen ohnehin keiner glauben.
    Unklug?
    Ja, sagt Arndís und hebt die Augenbrauen. Tu so, als ob das alles nie passiert ist. Bitte, Sunna! Du musst verstehen, dass Fatima im Gegensatz zu uns keine Krankenversicherung hatte. Sie konnte nicht zum Arzt gehen. Und schon gar nicht das Kind abtreiben lassen – im Gegensatz zu dir. Wenn sie noch andere Verwandte in Barcelona gehabt hätte, entfernte Verwandte, verrückte Fundamentalisten, die hätten sie doch glatt ermordet!
    Und damit das nicht passiert, hast du sie lieber selbst umgebracht, sage ich und merke dabei, wie trocken mein Mund geworden ist.
    Die Bemerkung reizt sie zum Widerspruch: Ob du mein Handeln als Verbrechen bezeichnest oder nicht, ist natürlich deine Sache. Aber ich weiß, dass das ein Unfall war. Ich weiß, was ich getan und gesehen habe. Ich habe einer Frau in äußerster Not geholfen. Das war ein gutes Werk.
    *
    Sie zittert so sehr vor Erregung, dass ich befürchte, sie könnte einen Anfall bekommen. Sie muss sich beruhigen. Es rauscht in meinen Ohren, als ich sie bitte, sich nicht so aufzuregen, ich wisse ja, wie sehr Hera sie vermisse und dass niemandem damit geholfen wäre, ihr das Mädchen wegzunehmen. Aber sie müsse hier weg. Hier sei sie in Gefahr, solange die Männer frei herumliefen. Sie könnten sie jeden Moment finden. Und dann

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