Jenseits des Meeres
Großmutter ja immer alles, was ich so anstelle.“ „Aha.“ Megan überlegte einen Augenblick. „Ich wünschte, es gäbe eine Möglichkeit, dich in mein Gemach zu bringen, ohne dass wir gesehen werden ... “
Das kleine Mädchen lächelte Megan verschwörerisch zu und nahm sie bei der Hand. „Kommt!“ flüsterte es. „Wir können die Dienstbotentreppe benutzen.“
Also stiegen sie die nur hin und wieder von einer Kerze beleuchteten Steinstufen hinauf.
Als sie um eine Ecke bogen, wären sie beinahe mit James Kettering zusammengestoßen. Der fasste nach anfänglicher Überraschung Megans Arm, um sie zu stützen.
„Euer Vater erzählte doch, Ihr bliebet heute Morgen im Bett, weil Ihr Euch nicht wohl fühltet.“
„Stimmt. Doch jetzt geht es mir wieder besser. Was tut Ihr hier, Mylady?“ Er lächelte zwar, doch in seinen Augen spiegelte sich Verärgerung.
Megan blickte zu Bridget hinunter und bemerkte die Angst des Mädchens. „Wir sind spazieren gegangen und wollten uns nun rasch waschen, bevor uns jemand so sieht.“
James blickte auf die schmutzige kleine Hand in Megans und die dunklen Streifen auf Bridgets Wangen. „Dann will ich Euch nicht weiter aufhalten, Mylady.“ Damit trat er zur Seite.
Erst nachdem er fort war, fiel Megan auf, dass er nicht gesagt hatte, weshalb er eigentlich hier war. Wie hatte ein Gast überhaupt diese versteckte Treppe finden können, welche gewöhnlich nur von Dienstboten benutzt wurde? Es sei denn, er will sein Vorhaben vor den Augen anderer verbergen, schoss es ihr durch den Kopf.
Bridget zog sie schon an der Hand, und so eilten sie schweigend weiter. Außer einem Diener mit einem Stapel Feuerholz, begegnete ihnen niemand mehr.
Bei ihren Gemächern angekommen, öffnete Megan die Tür und führte das Kind zu einem Stuhl am Kamin.
„Zunächst werde ich diese Wunden versorgen“, murmelte sie und füllte eine Schüssel mit Wasser aus einem Krug. Während sie dann ein feuchtes Tuch auf die Verletzungen drückte, lächelte sie Bridget freundlich zu. „Danach werden wir sehen, wie wir dich und dein Kleid wieder sauber bekommen.“
„Ihr werdet Großmutter nichts erzählen?“
„Es sei denn, du wolltest es.“
Die Kleine verzog keine Miene, während Megan die aufgeschlagenen Knie wusch und das Blut stillte. Danach half sie dem Kind beim Ausziehen und Waschen. Als die Kleine sauber und in einer Decke eingewickelt vor dem Feuer saß, begann Megan, die Flecken aus dem schmutzigen Kleid zu schrubben.
Interessiert beobachtete die Kleine sie dabei. „Habt Ihr Euch auch schon einmal die Knie aufgeschlagen?“
Megan zuckte zusammen. „Das weiß ich nicht. Ich erinnere mich an überhaupt nichts aus meiner Kindheit.“ Sie drückte das Wasser aus dem Kleidungsstück und schüttelte es aus. Bei der Arbeit schaute sie zum Fenster hinaus und seufzte. „Wenn ich mir meine verlorene Kindheit ausmalen müsste, würde ich sie an einem Ort wie diesem hier stattfinden lassen - mit Bäumen, auf die man klettern, und Pferden, auf denen man reiten kann.“ Sie drehte sich zu Bridget um. „Reitest du auf Pferden, die in den Stallungen stehen?“ „Nein, das hat Großmutter verboten.“
„Weshalb?“
Die Kleine rümpfte die Nase. „Sie sagt, meine Mutter sei einmal vom Pferd gefallen und dabei fast umgekommen. Großmutter meint, wenn mir etwas passierte, würde ihr das Herz brechen.“ Bridget hob die Stimme. „Sie sagt, ich sei alles, was ihr von Fiona
geblieben sei.“
„Verstehe.“
Das tat Megan wirklich. Da Lady Katherine die eigene Tochter verloren hatte und nun für ihre einzige Enkeltochter sorgte, wollte sie das Kind besonders gut behüten. Je mehr sie allerdings versuchte, Bridget von allen Gefahren fern zu halten, desto stärker wurde das Bedürfnis des Kindes, diesem übertriebenen Schutz zu entfliehen.
Megan hängte das nasse Kleid vors Feuer, setzte sich neben Bridget auf die Polsterbank und zog sich das kleine Mädchen auf den Schoß. „Dein Kleid wird rechtzeitig zum Mittagessen trocken sein. In der Zwischenzeit werde ich dir das Haar bürsten, und dann verbringen wir beide eine ruhige Zeit hier in meinem Gemach. “
Während sie mit der Bürste durch die langen roten Strähnen strich, entspannte sich das Mädchen, und bald fielen ihm die Augen zu.
Nachdem Bridget eingeschlummert war, betrachtete Megan sie. Das kleine Mädchen, das so tapfer um seine Unabhängigkeit kämpfte, rührte sie irgendwie. Obgleich sie sich eben erst kennen gelernt hatten,
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