Jenseits des Meeres
antwortete Kieran sofort.
„Weshalb nicht?“
Kieran stützte beide Hände auf die Schreibtischplatte, hob den Kopf und schaute seinem Bruder in die Augen. „Weil es noch nicht vorbei ist, Colin.“ Er dachte an den Fremden, der in Megans Gemächer eingedrungen war, und an die höhnischen Worte des Gefängniswärters. „Ich fürchte, es ist noch lange nicht vorbei.“
Was er jedoch seinem Bruder nicht gestehen wollte - es gab einen weiteren Grund, weshalb er die Abenteuer nicht wiederholen wollte: Megan. Von dem Moment an, als sie mit blitzenden Augen und gezogenem Säbel in sein Leben getreten war, war sie ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Diese Frau stellte eine Komplikation in seinem Leben dar, um die er nicht gebeten hatte und die er in dieser unsicheren Phase auch nicht zulassen sollte.
Jeden Tag wuchs der Strom der Gäste an, nachdem sich im Lande herumgesprochen hatte, dass die Herren von O’Mara zurückgekehrt waren. Die Dörfler kamen, um ihnen ihre Ehre zu erweisen und sich nach Lady Fiona zu erkundigen, die schon so lange fort war. Oft brachten sie Willkommensgeschenke mit, und bald füllten sich die um die Stallungen herum schnell errichteten Pferche mit blökenden Lämmern, gackernden Hühnern und quakenden Enten.
Krieger und Clansälteste kamen, um Kierans Rückkehr als rechtmäßiger Anführer des Volkes zu feiern.
Unter diesen Besuchern befand sich Terence O’Byrne, dessen flammende Reden am Londoner Hofe Elizabeth’ ihm den Beinamen „Verteidiger des Glaubens“ bei seinen loyalen Leuten eingetragen hatten. Begleitet von einem Dutzend Reitern traf er in der Dämmerung ein, gerade als die Anwesenden zum Abendessen gehen wollten.
Mistress Peake huschte umher, erteilte den Dienstboten Anweisungen, ließ zusätzliche Unterkünfte richten und weitere Gedecke auflegen.
Kieran und Colin standen bei ihrer Mutter und begrüßten die Neuankömmlinge.
„Es stimmt also.“ Terence O'Byrne, ein hoch gewachsener, gut aussehender Mann mit silbrigen Fäden durchzogenem Haar, dunklen, durchdringend blickenden Augen und klarer Stimme, umfasste Kierans Arm. „Du bist also aus Fleet geflohen und hast es überlebt.“
„So ist es, Terence.“ Kieran begrüßte ihn herzlich und reichte dann dem Sohn des Mannes, der stolz neben ihm stand, die Hand. „Conor. Willkommen. “
Conor O’Byrne war einen Kopf kleiner als sein Vater und ähnelte diesem kaum. Sein Körper war gedrungen. Das dunkle Haar kräuselte sich um ein rötliches, gut aussehendes Gesicht. Anders als die Stimme seines Vaters war seine so leise, dass man sie kaum zu vernehmen vermochte.
„Wir fürchteten schon um Euer Leben“, erzählte Conor. „Nur wenige Männer überstehen den Fleet-Kerker.“
Terence O’Byrne neigte sich über Lady Katherines Hand und wandte sich dann deren jüngerem Sohn zu. „Colin“, begrüßte er ihn mit dröhnender Stimme und umfasste den Arm des jungen Mannes. „Du hast den Aufenthalt im Kerker nicht nur überlebt, sondern du scheinst dich dort auch gut entwickelt zu haben.“
„Mag sein, trotzdem würde ich ein englisches Gefängnis nicht unbedingt empfehlen, wenn man seine Gesundheit wieder herstellen will.“
Colin lächelte noch, als Terence O’Byrne zur Seite trat und den Blick auf eine schöne junge Frau freigab, die direkt hinter ihm gestanden hatte.
Sie schob die Kapuze ihres Umhangs zurück, und lockiges dunkles Haar fiel ihr bis fast zur Taille hinab. Sie hatte den Blick gesenkt und besaß einen kleinen Schmollmund. Colin lächelte nicht mehr.
„Trotz der langwierigen Reise bestand meine Tochter Cara darauf, uns zu begleiten“, erläuterte Terence O’Byrne.
Die beiden jungen Leute standen einander gegenüber, und auf ihren Gesichtern spiegelten sich Bestürzung, Verwirrung und größte Unbehaglichkeit wider.
Lange schwieg Colin, fing sich dann wieder und führte ihre Hand an die Lippen. „Cara ... Wann seid Ihr fortgereist?“ Er schluckte und begann noch einmal. „Wann seid Ihr heimgekommen?“
„Ich bin bereits seit einem Jahr wieder daheim.“ Ihre Stimme klang melodisch.
„In der Tat. Cara ist bei uns, kurz nachdem du nach England abreistest, Colin.“
„ So lange schon ... “ Colin hatte seine Fassung noch nicht wiedererlangt.
„Kommt, lasst uns zu Abend speisen.“ Lady Katherine dirigierte ihre Gäste durch den Raum zu den langen Holztischen, wo die anderen schon warteten. Terence O’Byrne sowie sein Sohn und seine Tochter wurden von allen Seiten aufs
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