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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Terrell
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alles andere als flehentlich. Sie klang fest und selbstsicher, als wäre er es gewohnt, immer seinen Willen zu bekommen. »Hast du denn keine Gnade in dir?«
    Seine halbherzige Bitte entlockte mir ein Schnauben. »Gnade? Warum sollte ich ausgerechnet dir gegenüber Gnade walten lassen? Nach allem, was du mir angetan hast. Nach all dem Bösen, das du über die Menschen gebracht hast.«
    »Bitte, Ellspeth. Es erscheint dir nur böse, weil du es nicht verstehst. Wenn man eine neue Welt erschaffen will, müssen Opfer gebracht werden. Opfer, die letztendlich einem größeren Wohl dienen.«
    Ich wusste, dass er mich durch seinen Tonfall milde stimmen wollte. Aber ich konnte auch sehen, dass er selbst an die Aufrichtigkeit seiner Worte glaubte. Dennoch empfand ich kein Mitleid in meinem Herzen, nur traurige Entschlossenheit.
    »Wie meine Mutter? War sie eins der Opfer, die gebracht werden mussten?«
    Der Mann hob den Blick, und zum ersten Mal sah ich seine Augen. Sie waren von einem hellen, fast glasklaren Blau. Genau wie meine.
    Sein Blick füllte sich mit Resignation und Trauer. »Ich habe deiner Mutter versprochen, mich deiner Entscheidung zu beugen, wenn dieser Moment kommen würde. Wenn du mir gegenüber keine Gnade zeigen willst, dann füge ich mich deinem Urteil.« Er sagte dies mit leiser Stimme, ohne meinen Blick loszulassen.
    Ich hob die Arme hoch über den Kopf. Ich fühlte, dass ich etwas Schweres in den Händen hielt, wusste aber nicht, was es war. Ein helles Licht erfüllte den Raum, rein und weiß wie destillierter Sonnenschein. Es war das Licht der Gerechtigkeit.
    Dann wachte ich auf.
    War der Traum eine Vision von etwas, was in der Zukunft passieren würde? War es ein Überbleibsel von einem der schrecklichen Bilder, die ich in Ezekiels Seele gesehen hatte? Oder war es pure Fantasie, weil ich in letzter Zeit so oft an meinen leiblichen Vater hatte denken müssen? Warum fühlte sich dieser Traum so anders an als alle anderen?
    Ich wusste es nicht. Und das machte es mir umso schwerer, ihn zu vergessen.

Elf

    A ls der Montag kam und mit ihm der Beginn einer neuen Schulwoche, hatte ich die Nase gestrichen voll. Davon, dass Michael und Ruth nie Zeit hatten. Davon, dass ich mich ständig verstellen musste. Von den beängstigenden Träumen, die mich jede Nacht heimsuchten. Von der Unsicherheit, die unter der Oberfläche der Normalität an mir fraß. Und am aller-, allermeisten hatte ich die Nase voll von dieser elenden Warterei, während mir die ganze Zeit der Gedanke an das Ende der Welt im Nacken saß.
    Ich musste etwas tun. Egal, was.
    Als ich nach der letzten Schulstunde auf dem Weg zu meinem Schließfach darüber nachgrübelte, in welche Bahnen ich meinen Tatendrang am besten lenken könnte, fiel mir eine Traube von Schülern auf, die sich ums Schwarze Brett geschart hatte. Das Schwarze Brett war zugepflastert mit Bekanntmachungen diverser Clubs und Ankündigungen außerschulischer Aktivitäten, und normalerweise ging ich, wie jeder andere auch, an den Aushängen vorbei, ohne sie weiter zu beachten. Aber jetzt war ich neugierig geworden. Ich wollte wissen, was die Aufmerksamkeit so vieler Schüler erregt hatte. Beim Näherkommen sah ich, dass sie um ein Plakat herumstanden, auf dem die Gründung einer schulübergreifenden Arbeitsgruppe zur Nothilfe für die Erdbebenopfer angekündigt wurde. Die erste Versammlung sollte an diesem Abend um sieben in der Turnhalle der Tillinghast High stattfinden.
    Das war die perfekte Lösung. Normalerweise machte ich mir nicht viel aus Clubs und Vereinen, aber ich brauchte dringend ein Ventil für meine aufgestaute Energie, und außerdem hatte ich das Gefühl, zumindest teilweise für die Katastrophe mitverantwortlich zu sein. Wenn ich mir über meine Aufgabe im Klaren gewesen wäre und gewusst hätte, wie man verhindert, dass sich das erste Siegel öffnet, hätte ich vielen Menschen großes Leid ersparen können. Einer Arbeitsgruppe beizutreten war zwar nicht viel, aber immer noch besser als gar nichts.
    Dann erst sah ich Mitsy unter den Schülern am Schwarzen Brett stehen. Und sie sah mich. Falls sie ernsthaft mit dem Gedanken spielte, ebenfalls mitzumachen, würde ich mir die Sache vielleicht noch mal überlegen müssen.
    »Und wieder eine einmalige Gelegenheit für unsere Ellie, ihre Selbstlosigkeit unter Beweis zu stellen«, sagte sie mit einem höhnischen Lächeln und einem Schwung ihres blonden Pferdeschwanzes. Ich wusste natürlich genau, dass dies als versteckte

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