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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Terrell
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ließ.
    Die Stühle ganz vorn und die Tribünen dahinter waren bis auf den letzten Platz besetzt. Zwischen den vielen unbekannten Gesichtern entdeckte ich auch ein paar Schüler von der Tillinghast High. Zu meiner großen Entrüstung sah ich sogar Piper und Mitsy in der Menge. Kannte Mitsy gar keine Scham?
    Endlich erspähte ich einen freien Platz auf einer Bank ganz am anderen Ende der Halle, neben einem breitschultrigen Typen in Jeans und Karohemd. Ich huschte am Podium und den vorderen Stuhlreihen vorbei, wo die Initiatorin inzwischen den Faden ihrer Rede wieder aufgenommen hatte, und fragte ihn leise, ob er ein Stück aufrücken könne.
    »Du stehst wohl auf dramatische Auftritte, was?«, flüsterte er mir mit einem Grinsen zu, als er zur Seite rutschte.
    Ich sah flüchtig zu ihm rüber. Seine Haare waren kastanienbraun und seine Augen so dunkel, dass sie fast schwarz wirkten. Er sah ziemlich gut aus – ein bisschen verwegen. Prompt wurde ich noch röter. Wahrscheinlich grenzte es mittlerweile schon an Lila. »Sorry.«
    Der Typ grinste erneut. Mit einer tiefen, rauen Stimme sagte er: »Kein Problem. Ich war für die Unterbrechung ehrlich gesagt ganz dankbar. Amanda da vorn, die das Aktionskomitee ins Leben gerufen hat, geht auf meine Schule, und ich kann dir sagen, sie hört sich echt gerne reden.«
    Ich versuchte, mich auf das zu konzentrieren, was Amanda sagte, aber es ging nicht. Immer wieder wanderte mein Blick zu den großen, rauen Händen und muskulösen Beinen meines Nachbarn. Er hatte etwas Faszinierendes an sich, das sich schwer beschreiben ließ.
    »Was hab ich dir gesagt? Sie findet kein Ende«, meinte er irgendwann. Er hatte wohl gemerkt, dass ich nicht ganz bei der Sache war.
    Ich konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken, auch wenn das unter den gegebenen Umständen natürlich völlig unangemessen war. Wir hatten es mit einer humanitären Katastrophe zu tun, die schlimmer war, als die meisten hier überhaupt ahnten – und in der mir noch dazu eine entscheidende Rolle zukam. Und ich hatte nichts Besseres zu tun, als wie blöde über einen Witz zu kichern, den irgendein Typ gemacht hatte. Ich hielt mir die Hand vor den Mund. Was um alles in der Welt war bloß mit mir los?
    Er berührte leicht meinen Arm. Als hätte ich laut gedacht, meinte er: »Ist schon okay. Außer mir hat dich niemand gehört.«
    Seine Bemerkung und die Berührung brachten mich so aus der Fassung, dass ich, als Amanda um Freiwillige bat, automatisch die Hand hob. Ich hatte keinen Schimmer, wofür ich mich da eigentlich meldete. Der Typ neben mir hob ebenfalls die Hand.
    Amanda zeigte in unsere Richtung. »Okay, Rafe, du bist dabei. Und du«, – sie zeigte auf mich – »wie heißt du?«
    »Ellie. Ich heiße Ellie.«
    »Super, dann haben wir schon zwei Freiwillige für die Arbeitsgruppe Veranstaltungsorganisation. Sonst noch jemand?«
    Hier und da gingen Hände in die Luft. Mir fiel auf, dass Piper und Mitsy ihre Meldung sofort zurückzogen, sobald sie sahen, dass ich in die Arbeitsgruppe gewählt worden war. Offenbar hatte Mitsy keine Probleme damit, mich in der Sicherheit eines überfüllten Schulflurs anzugiften, aber deshalb war sie noch lange nicht scharf darauf, stundenlang mit mir in irgendwelchen Besprechungen zu verbringen. Ich grinste bei dem Gedanken daran, dass die unbezwingbare Mitsy Angst vor mir hatte.
    Während Amanda noch weitere Freiwillige aufrief, wandte sich der Typ mir zu. »Tja, da wir ja jetzt zusammenarbeiten, sollte ich mich wohl mal vorstellen. Ich bin Rafe. Rafe Gregory.«
    Er streckte mir seine Hand hin.
    Fast hätte ich sie nicht genommen. Seit meiner Rückkehr aus Boston hatte ich es vermieden, andere Leute anzufassen – die einzigen Ausnahmen waren Michael und Ruth gewesen. Ich wollte keine Visionen haben. Aber dann überlegte ich es mir anders. Ich hatte ziemlich heftig auf ihn reagiert, und im Moment fand ich heftige Reaktionen beunruhigend. War er wirklich nur ein ganz normaler Typ? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.
    Ich schüttelte seine Hand. Die Vision, die ich bekam, war schwach und ziemlich harmlos. Ich sah Rafe als kleines Kind, vielleicht drei oder vier Jahre alt, wie er einen roten Drachen steigen ließ. Der Himmel war strahlend blau, und der kleine Rafe freute sich darüber, wie sich das leuchtende Rot seines Drachens gegen das Blau des Himmels abzeichnete. Ich fragte mich, weshalb er in diesem Moment ausgerechnet daran gedacht hatte.
    Gleich darauf machte die Szene einer

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