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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Terrell
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ansetzen konnte, sagte Rafe mit seiner sanften Engelstimme: »Mach dir keine Sorgen, Michael. Ellspeth geht es gut. Die Gefallenen werden nicht versuchen, sie zu töten. Lebendig ist ihnen die Auserwählte viel mehr wert.«
    Rafes Worte klangen wie ein Echo dessen, was Ezekiel gesagt hatte. Ich wollte gleich eine Frage hinterherschieben, aber Rafe war noch nicht fertig.
    »Ich habe euch viel verraten, Michael. Ich habe euch Geheimnisse anvertraut, die Er mir zu bewahren befohlen hat, und ich habe es getan, damit ihr eine Chance habt. Ich muss sicher sein, dass du dich mit Ellspeth gemeinsam auf den Kampf vorbereiten wirst, damit ihr beide bereit seid, wenn die Zeit kommt. Ich muss Gewissheit haben, dass du an ihrer Seite stehen wirst. Auch du hast eine ganz besondere Aufgabe zu erfüllen.«
    Michael sah ihn mit unverhohlenem Misstrauen an. Ich konnte nicht fassen, dass er immer noch an Rafe zweifelte. An mir vielleicht – aber an Rafe? War ihm denn nicht klar, was Rafe alles opferte, um uns zu helfen? Dass wir ohne ihn total verloren waren? Wieso kapierte er nicht, dass die Menschheit auf die Apokalypse zusteuerte und wir zwei die Einzigen waren, die sie aufhalten konnten?
    »Ach ja? Und wie sieht die aus?« Michaels Tonfall war unverhohlen aggressiv.
    Er hatte Nerven, so mit einem Engel zu reden. Ich rechnete fest mit einer kleinen Kostprobe des göttlichen Zorns angesichts seiner Sturheit, aber Rafe blieb gelassen.
    »Wenn ich dir verrate, welche Rolle für dich vorgesehen ist, Michael, dann riskieren wir, dass du sie nicht wirst erfüllen können. Dies ist ein Geheimnis, das ich nicht preisgeben kann. Um unser aller willen.«
    Ich hatte den Verdacht, dass es da noch etwas gab, was Rafe uns verschwieg. Und nicht aus dem Grund, den er genannt hatte.
    »Wirst du an Ellspeths Seite stehen?«, fragte Rafe erneut.
    Michael straffte die Schultern und sah Rafe direkt in die Augen. »Ja, das werde ich. Um Ellie zu beschützen. Aus keinem anderen Grund.«
    Ich schielte zu Rafe hinüber. War das die richtige Antwort? Würde Michaels zähneknirschende Zusage ausreichen? Hoffentlich.
    Ein strahlendes Lächeln erschien auf Rafes Gesicht. »Das genügt mir. Also gut, fangen wir an.«

Zweiundzwanzig

    A ls Rafe gesagt hatte: »Fangen wir an«, hatte er gemeint: jetzt gleich .
    Ohne ein Wort der Erklärung packte er Michael und mich bei den Händen und erhob sich mit uns in die Luft. Es war ein komisches Gefühl, nach der langen Pause wieder zu fliegen, wie wenn einem beim Radfahrenlernen zum ersten Mal die Stützräder abgenommen werden. Zuerst war ich froh über die Sicherheit, die Rafes Hand mir bot. Mehr noch: Ich brauchte sie. Aber obwohl meine Flugkünste ein bisschen eingerostet waren, war ich überglücklich, dass das Nichtstun ein Ende hatte. Endlich konnten wir loslegen.
    Sobald wir die Baumwipfel hinter uns gelassen und Flughöhe erreicht hatten, ließ Rafe uns los. In der frischen Nachtluft fühlte ich mich wie neugeboren. Als hätte ich einen brachliegenden Teil von mir wieder zum Leben erweckt und wäre jetzt endlich wieder heil. Meine Schultern dehnten sich zum Flug, und ich genoss das Kitzeln des Windes in meinem Gesicht. Eine wundervolle Minute lang war sogar das Ende der Welt vergessen.
    Dann bemerkte ich, dass Rafe Michael und mich weit hinter sich gelassen hatte. Ich brachte meinen Körper in Stromlinienform, um ihn einzuholen, aber seine Geschwindigkeit war so hoch, seine Bewegungen waren so präzise und ökonomisch, dass es mir unmöglich war, mit ihm Schritt zu halten. Um neben uns herfliegen zu können, musste er quasi den Rückwärtsgang einlegen.
    Wohin flog er mit uns? Ich versuchte, unten am Boden Orientierungspunkte auszumachen. Ich sah das Haus meiner Eltern, unsere Schule, sogar die alte Kirche, deren rundes Apsisfenster mir immer Angst eingejagt hatte, weil es mich wie ein allsehendes Auge anstarrte. Trotzdem hatte ich keine Ahnung, wohin wir unterwegs waren.
    Nach wenigen Minuten erspähte ich ein Stück vor uns ein vertrautes Rund von Fichten. Unsere Wiese. Wieso kam Rafe mit uns hierher? Wusste er etwa, dass dies unser ganz besonderer Ort war?
    Vorsichtig landeten wir im Gras. Keiner sagte ein Wort, bis wir alle zusammen auf dem kleinen Hügel in der Mitte der Wiese standen.
    »Ihr kennt den Ort?« Rafe brach das Schweigen als Erster.
    »Ja«, sagte ich. »Michael und ich sind früher immer für unsere Flugstunden hierhergekommen. Er hat die Wiese entdeckt.«
    Rafe sah zu Michael und nickte ihm

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