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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Terrell
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physischen Kräften arbeiteten, als dass wir unser Engelwissen erweiterten.
    Ich vor allem.
    »Hinauf!«, befahl Rafe Sonntagnacht, nachdem er Michael und mir etwa eine Stunde lang dabei zugesehen hatte, wie wir auf unserer Wiese in der Luft verschiedenste Flugmanöver vollführten.
    Michael und ich sahen uns verwirrt an, dann ging unser Blick zu Rafe. »Wir sind doch schon oben.«
    Wortlos schraubte Rafe sich in die Höhe. Immer weiter schoss er himmelwärts, und wir folgten ihm. Als wir die untere Wolkendecke durchstießen, rief er uns die Namen der einzelnen Wolkenformen zu. Er hieß uns, darauf zu achten, wie sich die Wolken auf unserer Haut und in unserem Haar anfühlten, und zeigte uns, wie wir mit Hilfe dieses Wissens das Wetter einschätzen und unsere Geschwindigkeit an die Verhältnisse anpassen konnten. Außerdem demonstrierte er, wie sich die Wolken als Deckung nutzen ließen. Die Situation erinnerte mich ein bisschen an eine Stelle aus dem Buch Henoch, in der geschildert wird, wie die Engel ganz zu Anfang die Menschen an ihren göttlichen Geheimnissen teilhaben lassen.
    Als wir durch die letzte Wolkenschicht in die obere Atmosphäre gelangten, rief Rafe uns über die Schulter zu: »Die Gefallenen sind stärker als ihr, also müsst ihr alle Vorteile eurer zweifachen Natur einsetzen, um sie zu überlisten. Nichts für ungut, Ellspeth, aber am Boden wirst du ihnen niemals entkommen. Du bist zu langsam und zu« – ich konnte hören, wie er sich ein Lachen verkniff – »zu verkopft.«
    Mir war klar, dass er damit »tollpatschig« gemeint hatte, also gab ich zurück: »Bist du sicher, dass ich die Auserwählte sein soll?«
    »Er hat dich ausgesucht, Ellspeth, nicht ich«, antwortete er mit seinem alten schelmischen Rafe-Grinsen.
    Das brachte mich erst mal zum Schweigen. Ich hatte noch gar nicht darüber nachgedacht, was es bedeutete, von Gott persönlich ausgesucht worden zu sein. Sofort wanderte eine neue Frage ganz oben auf meine Liste: Wie um alles in der Welt war er ausgerechnet auf mich gekommen?
    Ich hörte Rafes Stimme über den Wind hinweg, der mir um die Ohren pfiff. »Wir müssen in der Luft üben, wo du dir vielleicht einen Vorteil verschaffen kannst. Michael, da du Ellspeth nicht von der Seite weichen darfst, musst du ebenfalls in der Luft sein.«
    Rafe ermahnte uns, innerhalb des Fichtenkreises zu bleiben, damit unsere Kräfte weiterhin verborgen blieben. Zuerst kam mir die Fläche viel zu klein vor, aber es war erstaunlich, wie viel Platz man hatte, wenn man die Vertikale nutzte. Rafes Anweisungen folgend, schossen wir senkrecht in den Himmel und stießen dann im Sturzflug wieder nach unten, vollführten Hundertachtzig-Grad-Drehungen, Vollbremsungen, Loopings und Schrauben, bis ich nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Und das alles unter Rafes kritischem Blick.
    Michael war ein Naturtalent. Ganz egal, was Rafe von ihm verlangte, für ihn war alles ein Kinderspiel. In ehrfürchtigem Staunen sah ich zu, wie Michael pfeilschnell auf die Erde zugestürzt kam. Ich war mir sicher, dass er nicht rechtzeitig würde bremsen können, und hatte schon einen Entsetzensschrei auf den Lippen – nur um ihn Sekunden später ganz lässig neben mir landen zu sehen. Schon auf dem Footballplatz hatte ich seine Schnelligkeit und die Eleganz seiner Bewegungen immer bewundert, aber seine Fähigkeiten am Boden waren nichts im Vergleich zu denen in der Luft.
    Was mich anging – na ja, das war eine ganz andere Sache.
    Nach einem missglückten Sturzflug kam Rafe an meine Seite geflogen und legte mir die Hände auf die Schultern. »Komm, wir versuchen es noch einmal. Ich fliege neben dir her.«
    Dreihundert Meter über der Erde blieb ich stehen, machte mich startklar und sah nach unten. Rafe schwebte vor mir, so nah, dass sich unsere Körper fast berührten. Trotz der schwindelerregenden Höhe und der Tatsache, dass Michael ganz in der Nähe war, fühlte es sich überraschend intim an.
    »Los«, wisperte er mir ins Ohr.
    Ich streckte die Arme, als wollte ich einen Kopfsprung ins Wasser machen, und flog los. Ich wurde immer schneller, während Rafe meine Haltung korrigierte. Er wies mich an, die Schultern noch mehr zu strecken, und presste meine Füße enger zusammen. Ich war noch nie so schnell geflogen – und hatte es noch nie so sehr genossen.
    Fast zu sehr. Ich vergaß nämlich zu bremsen.
    Zum Glück kickte mir Rafe Sekundenbruchteile vor dem Aufprall die Beine unter den Körper und befahl: »Schweben!«
    Zu

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