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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Terrell
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Kriegswerkzeugen nicht einfach in der Luft über dem Ransom Beach herum.
    Dann erinnerte ich mich an das, was ich in der Hosentasche hatte, und in meinem Kopf begann ein Plan, Gestalt anzunehmen. Ich würde mein gesamtes schauspielerisches Talent mobilisieren müssen. War es das, was Rafe mit den »Vorteilen des Menschseins« gemeint hatte?
    Wolke für Wolke drosselte ich die Geschwindigkeit, zuerst kaum merklich. Auf gar keinen Fall sollte der Gefallene denken, dass ich absichtlich langsamer wurde. Ich tat so, als würde ich allmählich ermüden, und erlaubte es ihm so, Stück für Stück näher zu kommen, bis er mich eingeholt hatte. Ich ließ es sogar zu, dass er mich mit seiner kalten, unsterblichen Hand am Arm fasste.
    Indem ich so tat, als wolle ich mich von ihm losreißen, zog ich ihn noch ein Stückchen näher an mich heran. Ich rechnete damit, dass er, wenn er mir schon einmal so nahe war, seine Überredungskräfte einsetzen würde. Schließlich wollte er, dass ich mich seiner Sache anschloss.
    Mein Plan ging auf.
    »Ellspeth, ich bin Barakel. Ich habe so lange darauf gewartet, dir zu begegnen. Zusammen können wir die Spirale des kapitalistischen Wahnsinns stoppen, der die Welt im Würgegriff hält und der den gesamten Globus in bittere Armut stürzen wird, wenn wir nichts dagegen unternehmen. Gemeinsam können wir eine Welt erschaffen, in der Geld keine Rolle mehr spielt. Seite an Seite können wir ein Leben gestalten, in dem alle materiellen Bedürfnisse befriedigt sind, in dem es für die Menschen nichts mehr gibt außer den Luxus, ihre Träume zu verwirklichen.«
    Diesmal würde ich dem Gerede nicht auf den Leim gehen, so, wie es mir bei Kael um ein Haar passiert wäre.
    Seine langen, schlanken Finger strichen über meine Handfläche, und mir fiel auf, dass er eine dicke goldene Cartier-Uhr am Handgelenk trug. Für die Befriedigung seiner eigenen materiellen Bedürfnisse hatte er offenbar bereits gesorgt. Aber er war ja auch Barakel, verantwortlich für das vierte Siegel: die Armut. Er dachte nicht im Traum daran, der Menschheit auch nur eine Sekunde Not zu ersparen; vielmehr plante er, sie höchstpersönlich in bittere Not zu stürzen .
    Seine Stimme wurde zu einem lockenden Singsang, den ich von Ezekiel und Kael kannte. »Komm mit mir, Ellspeth. Stell dir die Welt vor, wie wir sie gemeinsam erschaffen können.«
    Barakel drückte seine Fingerkuppen tiefer in meine Handfläche. Durch seine Berührung übermittelte er mir eine berauschende Vision. Ich sah die efeuumrankte Universitätsstadt meiner Träume – ein bisschen wie Harvard –, in der Studenten jeden Alters, allesamt vor Gesundheit und Wohlbefinden strotzend, nach Herzenslust forschten und lernten. Dann sah ich, wie ähnliche Universitäten rund um den Globus entstanden, eine nach der anderen.
    Ich wollte Barakels Vision nicht verlockend finden. Aber ich wusste, dass ich, um glaubwürdig zu wirken, einen klitzekleinen Moment lang nachgeben musste. Also erlaubte ich mir den Gedanken, dass ich vielleicht wirklich gern an Barakels Seite stehen würde. Vielleicht würde ich wirklich gern über eine Welt herrschen, in der alle körperlichen Bedürfnisse erfüllt waren und in der jeder die Freiheit hatte, nach höheren Zielen zu streben. Als Barakel kurz innehielt, um zu sehen, wie ich seine Worte aufnahm, nutzte ich sein Schweigen, um meinen Kopf frei zu machen. Blitzschnell errichtete ich eine Sperre um meine Gedanken und wappnete mich so gegen die Macht seiner Stimme und seiner Bilder. Genau, wie Rafe und ich es geübt hatten.
    »Du willst, dass ich mich dir anschließe?«, fragte ich, als würde ich es ernsthaft in Erwägung ziehen.
    »Ja, Ellspeth. Du gehörst an meine Seite …« Er streckte die Finger seiner anderen Hand nach mir aus. »Komm.«
    Ganz langsam, wie in Trance, schwebte ich auf ihn zu. Als ich näher kam, hielt ich ihm meinen Arm hin, als könne ich es gar nicht erwarten. Einen Finger nach dem anderen streckte ich nach ihm aus – alle bis auf den Daumen, mit dem ich die Schlüssel aus meiner Hosentasche gegen die Handinnenfläche drückte. Meine Geheimwaffe.
    Barakel wartete geduldig. Um ehrlich zu sein, hatte ich keine Ahnung, ob ich die Sache wirklich würde durchziehen können, aber eine Alternative gab es nicht. Rohe Gewalt war keine Option, das hatte Rafe allzu deutlich gemacht.
    Selbstzweifel regten sich in mir, und prompt fing meine Hand an zu zittern. Mein Herz pochte wie wild, weil ich Angst hatte, Barakel könnte es

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