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Jenseits des Mondes

Jenseits des Mondes

Titel: Jenseits des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Terrell
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schilderte er, wie weit Michael es auf dem Spielfeld und im Leben bringen würde, und Michael nahm jedes Wort begierig in sich auf wie ein Hund das Lob seines Herrchens. Er konnte an gar nichts anderes mehr denken als an die Aufmerksamkeit und die Bewunderung, die ihm zuteil wurden.
    Nachdem diese Vision von Michael und seinem Coach verblasst war, spürte ich etwas Ungewöhnliches, als würde jemand gezielt Bilder aus meinem Bewusstsein herausfischen. Verschiedene Szenen folgten rasch aufeinander – meine erste Begegnung mit Rafe in der Sporthalle der Tillinghast High; ein Bild, wie ich mit Rafe über etwas lachte, während wir in der Stadt für die Spendenparty sammelten; der Moment, in dem Rafe mir seine Engelnatur offenbarte; und die Nacht, in der Rafe an meinem Fenster erschienen und mit mir Hand in Hand zur Wiese geflogen war.
    Dann war die Vision abrupt zu Ende, und Michael und ich machten uns voneinander los. Wie waren diese Bilder von meinem in Michaels Kopf gelangt? Als wir unser Blut gekostet hatten, hatte ich überhaupt nicht an Rafe gedacht. Hatte jemand anderer sie mir absichtlich gestohlen? War das ein Trick, den Michael von Rafe gelernt hatte? Hatte er selbst herausgefunden, wie man so etwas machte?
    Michael und ich starrten uns an. Wut zuckte in seinem Gesicht. Ich setzte zu einer Erklärung an, und gleichzeitig machte er den Mund auf, als wolle er mir ins Wort fallen. Da spürte ich plötzlich etwas im Rücken.
    Einen Flügelschlag.

Dreißig

    M ichael und ich hatten Rafes oberste Regel vergessen: Sei immer und jederzeit auf der Hut.
    Ich wirbelte herum. Vor mir stand ein Gefallener. Goldene Locken umrahmten sein Gesicht, das aussah wie gemeißelt. Zum Schutz vor der nächtlichen Kälte trug er eine Lammfelljacke, bei deren Anblick ich unter anderen Umständen sofort grün geworden wäre vor Neid. Er stand einfach nur da, ohne ein Wort zu sagen. Wahrscheinlich war in den meisten Fällen auch nicht mehr nötig – er konnte die Menschen ganz einfach mit seiner überirdischen Schönheit blenden. Aber mich nicht. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, machte ich vorsichtig einen Schritt rückwärts, um zu sehen, ob Michael mir zu Hilfe kommen würde.
    Würde er nicht. Ein zweiter Gefallener – dieser mit kurzen braunen Haaren und kantigen Zügen – schwebte hinter ihm. Ich war auf mich allein gestellt.
    Panik erfasste mich. Durch das Training war ich viel sicherer geworden, trotzdem glaubte ich nicht recht daran, dass ich ihn wirklich besiegen konnte. Sogar Rafe hatte seine Zweifel bezüglich meiner Kampfkünste gehabt, weshalb er Michael immer wieder eingeschärft hatte, unter allen Umständen an meiner Seite zu bleiben. Leider war das im Moment nicht möglich. Vielleicht hatten sich die beiden Gefallenen deshalb für einen Zangenangriff entschieden.
    Ich wusste, dass ich mich von meiner Angst auf keinen Fall lähmen lassen durfte. Dann wäre alles verloren. Also sagte ich im Geiste wie ein Mantra immer wieder Rafes Worte auf – Er hatte mich auserwählt – und schwang mich in die Luft.
    Rafe hatte mir geraten, in möglichst großer Höhe zu kämpfen, also schoss ich schnurgerade nach oben. Ich durchstieß die dichte Schicht Stratuswolken und drang dann in die bauschigere Kumulusschicht vor, ohne zurückzuschauen, ob der Gefallene hinter mir herkam. Ich wusste auch so, dass er es tat.
    Aus dem Augenwinkel sah ich, dass auch Michael Rafes Rat gefolgt war. Oder vielleicht wollte er einfach nur in meiner Nähe bleiben. Ich sah zu, wie er sich mit atemberaubender Geschwindigkeit immer höher und höher schraubte. Zunächst war ihm sein Verfolger dicht auf den Fersen, aber Michael machte einen Schlenker nach dem anderen und tauchte pfeilschnell durch den Himmel, so dass der Gefallene nicht lange mithalten konnte. Ich ahmte Michaels Manöver so gut es ging nach, und obwohl ich es weder an Geschwindigkeit noch an Wendigkeit auch nur annähernd mit ihm aufnehmen konnte, fiel auch mein Verfolger langsam zurück.
    Natürlich wusste ich, dass ich ihm nicht ewig davonfliegen konnte. Und Michael wusste es auch. Vor ihnen zu fliehen nützte uns nichts. Unser eigentliches Ziel war es, so nahe wie möglich an sie heranzukommen, schließlich brauchten wir ihr Blut. Ich zermarterte mir das Hirn über eine mögliche Strategie. Hatte Rafe uns dazu irgendwelche nützlichen Hinweise gegeben? Mir wollte einfach nichts einfallen. Ich hatte nicht mal eine Waffe bei mir, und leider schwebte Rafes beeindruckendes Arsenal an

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