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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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duckten sich, sodass auf jeder Seite die hinteren Linien über die Köpfe der vorderen Reihen hinweg zielen konnten.
    »Anlegen! Und Feuer!«, brüllte Jeremy und drückte ebenfalls ab. Während er seinen Männern den Takt zum Nachladen gab, fing er aus den Augenwinkeln Blicke von links und rechts auf. Simon. Stephen. Royston. Leonard. Die fünf Musketiere. Seine Mundwinkel kerbten sich ein, und in perfekter Abstimmung hoben die fünf, gemeinsam mit ihren Soldaten, ihre Martini-Henrys an und donnerten einstimmig: »Anlegen! Und Feuer!«
    Die breit gefächerte Bahn aus Kugeln hatte alle Derwische vor ihnen niedergemäht.
    Langsam setzte sich das Karree wieder in Bewegung. Schritt-und-noch-ein-Schritt. Anhalten. Anlegen. Feuern. Weitermarsch . Durch Staub und Rauch hindurch, der die Luft verdickte und die Sicht vernebelte. Anhalten. Anlegen. Feuern. Weitermarsch . Eineinhalb Meilen durch das Tal von Abu Klea, eine Stunde lang. Anhalten. Anlegen. Feuern. Weitermarsch . Die längste Stunde in ihrem Leben. Eine kleine Ewigkeit.
    Fünfhundert Yards waren sie noch von den grünen und weißen Bannern entfernt. Fünfhundert Yards bis zu den Stellungen des Feindes.
    »La illaha illa-llah wa Mohammed rasul Allah!!”
    Wie Teufel aus dem Höllenschlund sprangen die Derwische aus einer verborgenen Schlucht unterhalb des Gebüschs. Hunderte, Tausende von ihnen, sie brüllten, schrien, keiften.
    »La illaha illa-llah wa Mohammed rasul Allah!!«
    Mit der Wucht eines Wirbelsturms warfen sie sich gegen das Karree, in die Bajonette, in die Gewehrmündungen hinein.Stießen ihre Speere in die grau berockten Leiber, hieben auf die Männer ein, mit Schwertern, mit Äxten. Das Wummern und Krachen der großen Gardner-Kanone verstummte mit einem Mal, und Befehlsrufe mischten sich mit Schmerzensschreien.
    Das Karree! Das Karree ist durchbrochen! Sie stürmen uns! Vielleicht Rufe, die über die Soldaten hinwegschallten, vielleicht auch nur ein Gedanke, der vielen durch den Kopf jagte.
    Es war ein Mahlstrom aus grau gekleideten Leibern, aus weiß gewandeten Körpern, manchmal mit bunten Flicken besetzt, die schwarzen Köpfe kahl und von weißen Käppchen bedeckt. Und grell blitzten ihre Klingen auf im Sonnenlicht, die todbringenden Klingen der Männer des Mahdi. Kamele röhrten, schlugen mit den Hufen aus, brachen getroffen zusammen und begruben Soldaten unter sich.
    Jeremy sprang zwischen seinen Männern umher, leistete Hilfestellung, wenn ein Martini-Henry, überhitzt und voller Sand, klemmte; wenn der Defekt nicht gleich behoben werden konnte, gab er den Befehl, mit dem Bajonett weiterzukämpfen. Als er kurz aufsah, trafen sich seine Augen mit denen Freddie Highmores. Hier, in Abu Klea, gab es nur einen Feind, den es zu besiegen galt, und der trug Weiß und nicht Grau.
    Ein verzweifelter Kampf war es, als immer mehr Gewehre versagten und die Bajonettklingen beim Zustoßen verbogen stecken blieben. Treffer. Fünf Sekunden. Jeremy riss sich den Helm herunter, der ihm hinderlich war, und schleuderte ihn weg; sollte er eine Kugel oder einen Axthieb darauf abbekommen und auch nur für einen Herzschlag das Bewusstsein verlieren, war er ohnehin so gut wie tot. Er zielte auf den nächsten Derwisch und drückte ab. Treffer. Fünf Sekunden. Seine Freunde nahm er nur noch als verschwommene Farbflecke und Schlieren wahr. Golden, das war Leonard, der sein Martini-Henry wegwarf und sein Schwert zog; groß und dunkel, das war Royston, der weiterhin mit dem Gewehr feuerte und nachlud und zielte und feuerte. Treffer. Fünf Sekunden. Sein Blick streifte Stephen, lang undschmal und braun; Stephen, wie er einem Derwisch die Klinge seines Schwertes in den Leib stieß.
    Simon. Wo ist Simon?
    Einen Wimpernschlag lang stand Jeremy im stillen Auge des Wirbelsturms und suchte Simon. Er fand ihn, vielleicht zwanzig, dreißig Schritt entfernt, wie er sich mit seinem Gewehr abmühte, das offenbar eine der tückischen Ladehemmungen durch Sand und Hitze hatte. Simon sah den Derwisch nicht, der das Schwert hob, aber Jeremy sah ihn.
    »Simon!« Wirf es weg, nimm den Revolver oder das Schwert! Worte, die irgendwo auf dem Schlachtfeld verhallten. Trotzdem ließ Simon das Martini-Henry fallen und griff zum Heft des Schwerts an seiner Seite. Jeremy legte das Gewehr an und zielte auf den Derwisch, drückte ab. Ein leises Klicken . Mehr nicht.
    »Gebt mir Deckung! Len! Roy!«, hörte Jeremy sich brüllen und schleuderte die Waffe weg. Er fühlte Len neben sich, als er losrannte,

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