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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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dazwischen pochten die zahlreiche Prellungen von den Steinen, über die sein Leib hinweggeholpert war. Erleichtert spürte er, wie das Kamel langsamer ging, schließlich stehen blieb. Hastig rollte er sich zur Seite, um nicht von dessen Leib zermalmt zu werden, als es in die Knie ging. Zitternd zog er die Beine an, kam in die Hocke und stand taumelnd auf. Einige Derwische schritten auf ihn zu, bunte Rechtecke auf ihren Gewändern und ihr Grinsen blendend hell in den dunklen Gesichtern. Jeremy duckte sich unwillkürlich, als er ihre umgehängten Gewehre bemerkte, doch sie wirkten freundlichund lachten, hielten ihm sogar einen Wasserschlauch an die aufgesprungenen Lippen, und er trank in gierigen Zügen, bis sein Magen so voll war, dass er fast gegen die Rippen stieß und zu platzen drohte. In einem schnellen Zungenschlag, der kein arabischer war, aber eine ähnliche Sprachmelodie besaß, redeten sie auf ihn ein, klopften ihm auf die Schulter und drückten ihm ein Fladenbrot in die gefesselten Hände. Gierig riss er mit den Zähnen große Stücke davon ab, kaute und schluckte und kaute und schluckte, während die Männer sich im Sand niederließen und selbst tranken und aßen, bevor sie wieder aufstiegen. Die Kamele ruckelten hoch in den Stand und setzten sich schaukelnd in Bewegung.
    Jeremy marschierte hinterdrein, Meile um Meile durch die Wüste. Bis seine Stiefel sich auflösten und seine Füße blasig und wund waren, die Haut in seinem Gesicht verbrannte und in Fetzen herunterhing, seine Augen sich röteten und zuschwollen.
    Irgendwann sah er zu seiner Linken unter einer Dunstbank etwas aufglitzern: einen Fluss, vermutlich den Nil. Dann tauchten die ersten einfachen Hütten auf, danach ein paar Häuser, niedrige Klötze aus groben rötlichen Ziegeln, mit einfachen Öffnungen für Fenster und Eingänge. Alles wirkte verlassen, bis die Karawane auf einen größeren, sonnendurchglühten Platz kam, in dessen Mitte ein paar in die Erde gerammte Holzstangen ein Dach aus Palmwedeln und geflochtenen Matten stützten. Scheinbar aus dem Nichts strömten von überall her Männer, elfenbeinschwarz, schokoladenbraun, zimtdunkel, altersgegerbt oder jung, Halbwüchsige, fast noch Kinder, in löchrigen, staubigen Gewändern und mit einem Käppchen oder einem gewickelten Turban auf dem Kopf.
    Wild riefen sie durcheinander, drängten sich um Jeremy, begafften und begrapschten ihn. Die Kamele gingen in die Knie, und einer der Männer, die ihn hierhergebracht hatten, stieg ab und löste das Seil, mit dem Jeremy festgebunden war, zog ihn wie ein Stück Vieh hinter sich her.
    Im Schatten des Palmdachs wurde Jeremy zu Boden gestoßen, und sein Bewacher ließ sich im Schneidersitz neben ihm nieder, während die Menge nun ehrfürchtig Abstand hielt und Jeremy mit großen Augen anglotzte. Einige speerbewehrte Derwische traten auf Jeremy zu, einen Weißen in ihrer Mitte. Auch er trug das Gewand eines Derwischs, darunter aber Hosen nach europäischer Manier wie Jeremy selbst. Er war noch jung, kaum älter als Jeremy, mit hellen Augen und einem geschwungenen Oberlippenbart in einem breiten, zum eingekerbten Kinn hin spitz zulaufenden Gesicht.
    »As-salamu aleikum« , begrüßte er Jeremy mit einer leichten Verneigung und mit aneinandergelegten Handflächen. Jeremy kannte diese Grußformel und auch deren Antwort, schwieg aber. »Willkommen in Omdurman – oder wie wir hier sagen: in der Stadt der Gläubigen. Sie sind Engländer?« Er sprach Englisch mit einem Akzent, der vermuten ließ, dass seine Muttersprache Deutsch war, wenn es auch weicher und singender klang, als Jeremy das Deutsche noch im Ohr hatte. Als er auf die Fetzen von Jeremys Uniformrock deutete, nickte dieser.
    Der Weiße ließ sich ihm gegenüber nieder. »Ich heiße Rudolf Slatin. Wie ist Ihr Name?«
    Jeremy blieb stumm, und Slatin musterte ihn eindringlich.
    »Früher war ich Gouverneur der Provinz von Darfur«, erklärte er dann. »Seit über einem Jahr bin ich Gefangener hier und gewinne allmählich das Vertrauen des Mahdi. Unter anderem bin ich sein Dolmetscher, und ich soll von Ihnen in Erfahrung bringen, wo sich die Stellungen der britischen Armee befinden.« Als Jeremy nichts darauf erwiderte, senkte Slatin die Stimme. »Ich kann Ihnen nur raten, sich entgegenkommend zu zeigen. Sagen Sie mir, wohin Ihre Armee marschiert und was sie vorhat, und ich werde versuchen, dafür zu sorgen, dass Sie bessere Bedingungen hier bekommen.«
    Jeremys Verstand, ausgetrocknet und

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