Jenseits des Nils: Roman (German Edition)
nächsten Tag langsamer gingen und langsamer,bis sie stehen blieben und tot zusammenbrachen. Eine ebenso traurige wie verräterische Spur an Kamelkadavern hinterließ das Wüstenkorps auf seinem Weg zum kegelförmigen Berg von Jabal an-Nus und zum nächsten Nachtlager am Jabal Sarjayn.
Und noch immer war es still, auch noch, als dort um drei Uhr morgens zum Weckappell geblasen wurde und sie erneut aufbrachen, um vor Sonnenuntergang die Oase von Abu Klea zu erreichen. Durch ein Tal aus schwarzem, brüchigem Fels führte sie ihr Weg, das vielleicht eine Meile breit war, sich jedoch mit jedem Schritt verengte und immer steiler anstieg, auf einen Pass zu, der irgendwann zwischen den Steinwänden verschwand. Geistergleich kamen ihnen Hufschläge entgegen, laut und nachhallend – die Husaren, eine Stunde vor dem Appell auf einen Erkundungsritt ausgesandt. Feind in Sicht , riefen sie, atemlos von dem fliegenden Ritt. Sind ihnen um Haaresbreite entkommen! Feind voraus! Tausende von ihnen!
Sie saßen in der Falle. Ein seitliches Ausweichen war nicht möglich und ebenso wenig ein Rückzug. Die Brunnen von Jakdul waren leer geschöpft, und zurück bis nach Korti würde ihr Wasservorrat nicht reichen.
Es gab nur einen Ausweg: vorwärts, hinunter nach Abu Klea, sehenden Auges in den Feind hinein.
30
Gebückt hastete Royston über die Steine hinweg. Er zuckte zusammen, als eine Kugel an seinem Ohr vorüberpfiff und gleich darauf die nächste. Mit einem Hechtsprung landete er bäuchlings neben Jeremy und Leonard, der verhalten grinste.
»Gottverflucht«, schnaufte Royston und rappelte sich in eine kauernde Stellung auf. »Worauf warten die feinen Gentlemen eigentlich noch?! Warum haben die nicht längst zum Angriff geblasen?«
»Wille und Weisheit der Kommandeure sind unergründlich«, gab Leonard zurück, und der Witz in seiner Stimme war von beißendem Zynismus unterhöhlt.
Jeremys Mundwinkel spannten sich an, und er sah über die provisorische Befestigungsmauer aus Kisten und Säcken hinweg. Als ein breites sandiges Band unter der gelben Morgensonne wand sich der wadi von ihnen weg, mattgrün überhaucht von den Kronen der niedrigen Bäume, die üppig und flauschig waren wie ein Wischmopp. Dazwischen wuchsen einzelne Akazien mit ihren weißen Dornen und niedriges Buschwerk. Der ausgetrocknete Flusslauf war eingebettet in eine dunkle Wüste, verwittert und schuppig, fast wie ein gefrorener See, und gesäumt von karstigen Felsrücken so wie der, über den sie gestern gekommen waren. Nicht über den Pass, wie ursprünglich geplant, denn Beobachtungsposten hatten auf den Felsen darüber Horden von Derwischen erspäht, ihre Gewänder blendend weiß vor dem dunklenStein und die Speerspitzen blinkend im Sonnenlicht. Über einen Hügel waren sie geritten, ein mühevoller Aufstieg über Geröll und lockeren Fels und ein nicht ungefährlicher Abstieg auf der anderen Seite, hinein in das Tal von Abu Klea. Drei Stunden Tageslicht waren ihnen geblieben; zu wenig, um noch am selben Tag einen Angriff zu wagen, und gerade noch genug, um in aller Eile ein zariba zu errichten, ein mit herausgerissenen Dornenbüschen geschütztes Lager. Soldaten und Offiziere packten mit an, holten Steine und Felsbrocken herbei und türmten sie zu Wällen auf, und weil es in der unmittelbaren Umgebung zu wenig Steine gab, musste alles an Gepäck herhalten, was sie mitführten.
Jeremys Augen verengten sich, als er weiter ins Tal hinausspähte, dorthin, wo es in eine graubraun melierte Ebene auslief und schließlich mit dem dunstigen Himmel über dem Nil verschmolz. Zelte konnte er dort ausmachen und grüne und weiße Banner, die im Wind flatterten – die Stellungen des Feindes, gut zu erkennen durch die Mündungsblitze, die Rauchwölkchen, die dort verpufften, jedes Mal, wenn ein Gewehr auf sie abgefeuert wurde. Vor allem aber befanden sich dort die Brunnen von Abu Klea. Unwillkürlich zogen sich die Muskeln in seiner Kehle zu einer Schluckbewegung zusammen. Wasser war streng rationiert, und alle litten Durst. Es war nur noch eine Frage von Stunden, wann der Befehl zum Angriff erteilt werden würde, spätestens wenn die Wasservorräte zur Neige gingen und man sich den Weg zu den Brunnen freikämpfen müsste. Doch die Zeit bis dahin konnte noch sehr, sehr lang werden. Immerhin hatte der ausgeteilte Zitronensaft fürs Erste gegen das klebrig trockene Gefühl zwischen Gaumen und Zunge geholfen.
Jeremy wandte den Kopf und sah über den Posten des
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