Jenseits des Nils: Roman (German Edition)
nicht weniger ungehörige Weise anstarrte.
Eine Kaskade greller Pfifflaute drang über die Rasenfläche. »Beeilung, die Gentlemen Norbury, Ashcombe und Hainsworth! Hopphopphopp!«
Stephen gehorchte in langen Schritten dem Befehl, und zur Erheiterung von Leonard und Royston, die hinterhertrotteten, hing Becky weiterhin wie eine Klette an ihm, als wollte sie ihn ganz selbstverständlich in die Umkleide begleiten.
»Wird’s bald, Digby-Jones! Oder brauchen Sie eine Extra-Einladung?!«
Als Simon sich endlich in Bewegung setzte, ging auch ein Ruck durch Ada, und hastig stolperte sie hinter ihrer Schwester her.
»Grace! Warte! Grace!«
Atemlos hängte sie sich an den Arm ihrer Schwester.
»Grace, wer ist das?«, flüsterte sie ihr zu. »Der Kadett dort, der die ganze Zeit zu uns herübergeschaut hat?«
Grace lächelte. »Das ist Simon. Simon Digby-Jones. Er wird am Wochenende auch auf Givons Grove sein.«
Einmal sah Ada noch zu ihm hinüber.
Simon.
4
»Nochmals vielen Dank, dass ich mitfahren darf, Lady Norbury – Sir William«, zwitscherte Becky in der offenen Kutsche, vor die Jack und ein weiteres kraftvolles Pferd namens Jill gespannt waren und die an diesem Samstagnachmittag über die Landstraße rollte, nach Nordwesten, in Richtung des knapp zehn Meilen entfernten Givons Grove.
Während der Colonel nur kurz, aber durchaus wohlwollend nickte, legte seine Frau Becky den Arm um die Schulter und drückte sie an sich. »Gern geschehen. Du gehörst doch schon fast zur Familie!«
Becky strahlte über das ganze Gesicht mit den prallen Bäckchen und dem energisch spitzen Kinn und warf Stephen, der neben der Kutsche einherritt, einen triumphierenden Blick zu. Den dieser geflissentlich übersah, während er seinen Braunen flotter vorwärtstraben ließ.
»Mamas eigentliche Leistung bestand darin, deinen Vater zu überreden, dass er dich das ganze Wochenende fortlässt«, ließ sich Grace von ihrer Fuchsstute aus vernehmen.
Becky nickte heftig, einen bekümmerten Ausdruck im Gesicht, und schenkte Lady Norbury einen dankbaren Blick.
»Er wird auch einmal einen Sonntag ohne dich auskommen«, versuchte sie Becky aufzumuntern.
» Ich weiß das«, schnaufte diese. »Nur er sieht das offenbar nicht ein!«
Auf Beckys Schultern lastete seit dem frühen Tod ihrer Mutter die alleinige Verantwortung für den Pfarrhaushalt, und da die Gemeinde der Holy Trinity Church in Guildford nicht gerade klein war, sogar bis fast nach Cranleigh hinunterreichte, bedeutete dies eine schwere Bürde für das junge Mädchen – was Becky mit ihrer angeborenen Fröhlichkeit sich nur selten anmerken ließ. Wahrscheinlich gab es niemanden, der das annähernd so gut verstand wie Constance Norbury. Vierzehn war sie selbst gewesen, fast in demselben Alter wie Becky damals, als ihre Mutter schwer erkrankte, und fünfzehn, als diese starb, und in diesem Jahr oblag ihr nicht nur deren Pflege, sondern es gingen auch all die Pflichten und Aufgaben auf sie über, die es im Haushalt ihres Vaters, General Seamus Finley Shaw-Stewart, zu erfüllen galt.
Constance Norbury hatte die quirlige Pfarrerstochter so fest ins Herz geschlossen, dass es ihr ein großes Anliegen war, das auszugleichen, was das Schicksal bei Becky versäumt hatte, während es ihren beiden eigenen Mädchen in jeder Hinsicht so wohlgesinnt war. Da Reverend Peckham seine Tochter kurzhielt, gerade wenn es um die kleinen und größeren Dinge weiblicher Eitelkeit ging, war es ihr gemeinsames, gut gehütetes Geheimnis, dass Beckys neues lavendelfarbenes Nachmittagskleid und ihre gleichfalls neue Abendgarderobe, wohlverstaut in ihrem Köfferchen, ein Geschenk von Grace und ihrer Mutter waren.
»Habt Nachsicht mit Hochwürden Peckham«, mahnte Colonel Norbury. »Es ist nicht immer leicht, Vater zu sein. Er mag vielleicht die Zügel zu stramm anziehen«, seine Stimme hob sich etwas und bekam einen grollenden Unterton, »ich hingegen frage mich seit dieser Woche, ob ich das bei meiner Ältesten nicht auch tun sollte. Die derart unverfroren mit Schwester und Freundin unangemeldet im College auftaucht und dort nicht geringen Aufruhr verursacht!«
Grace drehte sich im Sattel halb zu ihm um und lachte. »Ich fürchte, dafür ist es zu spät, Papa! Und du magst es zwar leugnen – aber wir haben dir deutlich angemerkt, wie sehr du dichgefreut hast, als wir drei bei dir im Zimmer standen. Vor allem darüber, dass du Ada schon ein paar Stunden eher in die Arme schließen konntest als
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