Jenseits des Nils: Roman (German Edition)
sich gegenseitig Rippenstöße versetzend, folgten sie Stephen quer über das Spielfeld. Die vier jungen Männer waren nur noch einige Schritte entfernt, als Simon unvermittelt stehen blieb. Wie Stephen Grace umarmte und Becky unbeholfen begrüßte, die ihn mit schräg gelegtem Kopf von unten herauf anstrahlte und die Handtasche spielerisch vor ihrem Rock hin und her schwang, nahm er nur am Rande wahr; seine Aufmerksamkeit war ganz auf das Mädchen gerichtet, das zuvor auf Stephen zugelaufen und diesem um den Hals gefallen, von ihm herumgewirbelt worden war, dass ihm der Hut vom Kopf segelte und im Gras landete.
»Hey.« Simon packte Royston am Ärmel. Royston war mit Stephen und Leonard in Cheltenham zur Schule gegangen, kannte die beiden länger als Jeremy und er, die erst im vergangenen Herbst in Sandhurst zu den dreien dazugestoßen waren. »Kennst du die Kleine da, die mit Grace und Becky hier ist?«
»Das ist Ada.«
Das ist Stevies kleine Schwester? Simon brachte keinen Ton mehr heraus; seine sonst so freche Zunge war mit einem Mal wie gelähmt.
»War immer ein verschüchtertes Ding, das knallrot wurde, wenn man es ansprach, und dann wie der Blitz davonsauste, um sich zu verstecken«, erklärte Royston amüsiert und ging weiter. Sich halb umwendend fügte er hinzu: »Sieht so aus, als sei sie dem nun endlich entwachsen.«
Simons Augen vermochten sich nicht von ihr zu lösen, der Kleinsten in der Gruppe, in der es nun ein lautes, lachendes Hallo nach allen Seiten gab, als Royston und Leonard hinzutraten. Noch kleiner als Simon selbst, war sie elfenhaft schmal, wirkte beinahe kindlich mit dem runden Gesicht, der zierlichen Stupsnase. In der Tat ein Mädchen noch, wie sie in der einen Hand ihren Hut hielt und mit der anderen eine Strähne ihres offenen Haares aus dem Mund klaubte, die ihr an den Lippen kleben geblieben war. Dieser Mund, der in seiner runden Fülle verhieß, dass sie die Schwelle zum Frausein bald überschreiten würde, wie eine pralle Knospe, just bevor sie zur Blüte aufbrach. Ein Mund, der beim Lächeln die kecke kleine Spalte zwischen den oberen Schneidezähnen zeigte, die Simon von Stephen her so vertraut war und die ihm bei diesem Mädchen weiche Knie bereitete.
Das Lächeln auf Adas Zügen erlosch, als ihre Augen sich mit denen Simons trafen. Augen, groß und dunkel glänzend wie Schwarzkirschen, die verwundert blickten, fast fragend, sich schließlich scheu abwandten und dann doch voller Neugierde zu den seinen zurückkehrten.
Stumm hielt er das Leder umklammert, unfähig, sich zu rühren oder gar das Wort an Ada zu richten. Er, der sonst nie um Worte verlegen war, der mit Witz und Schlagfertigkeit das schöne Geschlecht um den Finger zu wickeln verstand.
Auch Jeremys Augen, die Simons Blick gefolgt waren, begegneten einem Paar brauner Augen, die jedoch lichter waren als die von Ada, wenn auch ungewöhnlich dunkel für jemanden mit solch hellem Haar, solch heller Haut. Ein Lächeln umspielte Grace’ Mund, und vorsichtig, zaghaft beinah hob sie die Hand zum Gruß. Jeremy hob ebenfalls die Hand, eine fast verstohlene Geste, in einem Moment, der ihnen ganz allein gehörte.
Der jedoch zerstob, als Leonard Grace aus den Ärmelrüschen eine winzige Flaumfeder zupfte, die sich während der Fahrt dort verfangen hatte.
»Los, wünsch dir was!«, forderte er sie auf und hielt ihr das Federchen auf der Fingerkuppe vor das Gesicht.
»Ja, mach, wünsch dir was!«, rief es um Grace im Chor. Gehorsam schloss sie die Lider und blies kräftig in Richtung von Leonards Hand, sodass die Daune davonsegelte.
Jeremy sah Simon von der Seite an. »Kommst du?«
Mehr eine Forderung denn eine Frage, die ungehört an Simon abprallte. Achselzuckend ging Jeremy in Richtung der Waschräume davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Der schrille Pfiff, mit dem der Sportlehrer die säumigen Kadetten zur Eile ermahnte, trieb gleich darauf das Grüppchen um Grace und Ada auseinander. Leonard und Royston nahmen Grace in ihre Mitte, während Stephen von Becky in Beschlag genommen wurde, auf einem Stück gemeinsamen Weges, bevor die jungen Männer zur Turnhalle abbiegen, die Mädchen jedoch zum Collegegebäude weitergehen würden.
Allein Ada blieb zurück. Als hätte ihr jemand Bleibänder in den Rocksaum genäht, kam sie nur langsam vorwärts, und obwohl sie wusste, dass es ungehörig war, musste sie sich wie unter einem Zwang immer wieder nach dem Kadetten umdrehen,der immer noch regungslos dastand und sie auf
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