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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Hecken und gepflegtes Buschwerk, die diesen Teil des Anwesens von den prächtigen Gartenanlagen auf der Rückseite des Hauses abschirmten, einen Eindruck von trauter Abgeschiedenheit.
    Ein schlaksiger Junge von etwa dreizehn Jahren, mit riesigen lichtblauen Augen und heuhellem zerzaustem Haar, der eben noch ungelenk auf der Balustrade gehockt und die drei jungen Männer vor sich mit Blicken angebetet hatte, sprang von dort herunter und rannte mit einem Grinsen von Ohr zu Ohr auf die Neuankömmlinge zu, um sie in einer Mischung aus neu erlernter Höflichkeit und noch kindlichem Überschwang zu begrüßen: Tommy, der tatsächlich derart in die Länge geschossen war, dass er Ada bereits um eine gute Handbreit überragte.
    »Immer diejenigen, die den kürzesten Weg haben, kommen als Letzte!«, frotzelte Royston gutmütig.
    Cecily löste sich von Ada und Grace, bei denen sie sich untergehakt hatte, und stellte sich mit herausfordernd verschränkten Armen vor ihn hin. »Du hattest ja im Gegensatz zu Stephen auch keinen Umweg zu machen, um die Ladys abzuholen, die unsere Gesellschaft erst vervollständigen und dem Abend besonderen Glanz verleihen sollen.«
    Belustigt sah Royston auf sie hinab, die ihm nicht einmal bis zur Schulter reichte. »Schlagfertig wie immer, verehrte Lady Cecily. Nun habe ich keine Möglichkeit zum Widerspruch, ohne entweder den Liebreiz besagter Ladys zu schmälern oder aber den Euren.«
    Cecily hob die feinen Brauen. »Ich weiß. Vielleicht seht Ihr nun endlich ein, dass Ihr Euch nicht mit mir messen könnt, geschätzter Lord Amory!«
    »Unbenommen«, gab Royston in warmem Tonfall zurück, und seine tief liegenden Augen, die an dunklen Bernstein erinnerten, sahen Cecily zärtlich an. Der alte Schalk glomm darin auf, als er seinen Blick auf Ada richtete und sie zu sich heranwinkte. »Komm, Ads! Bevor ich mir noch mehr Unverschämtheiten von diesem verwöhnten Weibsbild ...«, er zuckte vergnügt zusammen unter einem Schlag Cecilys auf seinen breiten Rücken, »anhören muss, mache ich dich mal eben bekannt. – Eigentlich wäre das ja Aufgabe des Gastgebers«, rief er Leonard zu, der Champagnergläser von einem Tablett herunternahm, das ein bereitstehender Diener in Livree emporhielt, und sie an seine Freunde verteilte. »Aber der stellt das schnöde leibliche Wohl mal wieder über gesellschaftliche Etikette!«
    Leonard lachte nur, und Royston raunte Ada verschwörerisch zu: »Was kann man denn anderes erwarten von den Sprösslingen einer Familie, die vor gerade mal hundert Jahren in den Adelsstand erhoben wurde?«
    Ada kicherte. Die Ashcombes konnten ihren Stammbaumlückenlos bis ins Devon des zwölften Jahrhunderts zurückverfolgen und verdankten den Titel des Earl of Ashcombe, den Royston einmal erben würde, der Tatsache, dass einer seiner Vorfahren sich Mitte des siebzehnten Jahrhunderts mit einer unehelichen Tochter von König Charles II . vermählt hatte. Die noble Abstammung von Royston Nigel Henry Edward Ashcombe Viscount Amory bot genügend Stoff für Witzeleien, in denen vor allem er selbst nur zu gerne schwelgte.
    »Das hab ich gehört«, schimpfte Cecily hinter ihnen. »Betrachte dich als von meiner Tanzkarte gestrichen!«
    Ada wandte sich gemeinsam mit Royston halb zu Cecily um.
    »Das bringst nicht einmal du fertig, ma belle dame sans merci «, entgegnete er mit unvermuteter Sanftheit, und als Ada sah, wie Cecilys Augen glücklich auffunkelten, lächelte sie in sich hinein.
    »Also«, begann Royston würdevoll und legte Simon in einer großen Geste den Arm um die Schulter. »Darf ich bekannt machen: Ada Isabel Norbury, das Küken des allseits geschätzten und beliebten Norbury-Clans, nach langer Weltreise endlich wieder in unsere Mitte zurückgekehrt. Und dieser Zwerg hier ist kein anderer als Simon George Alasdair Digby-Jones, seinerseits das Küken von Lord und Lady Alford aus Bellingham Court in Somerset.«
    Ada hatte ihn sogleich entdeckt, kaum dass sie auf die Terrasse getreten war, seine Züge beinahe erschreckend ausgeprägt nach dem schnell verblassenden Abbild, das sie seit Dienstag in ihrer Vorstellung gehütet und gehegt hatte. Ein Gesicht, das mit der kräftigen Nase und den markigen Linien besser zu einer Schiebermütze und einer geflickten Joppe gepasst hätte denn zu dem schlichten, aber edlen Zwirn, den er trug. Ein Gesicht, das man eher in einer Gasse in Whitechapel vermutet hätte denn in ihren Kreisen. Umso aufwühlender empfand Ada die Verletzlichkeit in den grauen

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