Jenseits des Nils: Roman (German Edition)
barscher als beabsichtigt, beinahe grob, doch der Colonel erwiderte nichts darauf, rügte seinen Sohn nicht dafür, dass er in seiner Gegenwart rauchte, und noch nicht einmal wegen des unflätigen Ausdrucks.
Schweigend saßen sie nebeneinander in der Kälte, bis der Colonel leise, mit einer Stimme wie das Geraschel toter Blätter, sagte: »Ich habe dir großes ... großes Unrecht getan. Kannst du mir das je ... vergeben?«
Stephen kniff die Augen zusammen, gegen den Rauch, aber auch gegen die Tränen, die in ihm aufstiegen. So lange hatte er sich danach gesehnt, das von seinem Vater zu hören, und obwohl es ihm nun nicht halb so viel bedeutete, wie er immer geglaubthatte, bewegte es ihn. Weil er wusste, wie schwer es dem Colonel gefallen sein musste, das zu sagen.
»Da gibt es nicht viel zu vergeben«, entgegnete er schließlich rau. »Ich bin zu der Einsicht gelangt, dass es nicht deine Schuld ist. Es hätte mir genauso gut bei einem Ausritt passieren können oder bei einem Unfall mit dem Wagen. Es war schlichtweg Pech. Immerhin«, er betrachtete die Glut seiner Zigarette, »immerhin bin ich noch am Leben. Simon und Jeremy sind aus freien Stücken zur Armee gegangen und sind dennoch nicht mehr nach Hause gekommen. Und unter den gegebenen Umständen«, er atmete tief durch, »ist es vielleicht auch kein ganz schlechtes Leben, das ich da habe.«
Er sah den Colonel von der Seite an, der den Kopf abgewandt hielt und sich mit der behandschuhten Hand verstohlen über die Augen fuhr. »Lass uns reingehen, bevor du hier noch festfrierst.«
Der Colonel nickte, und als Stephen bemerkte, wie sehr dieser sich abmühte, hochzukommen, warf er seine Zigarette in den Schnee, löste die Bremsen und rollte sich so vor die Bank, dass er seinem Vater stützend unter den Ellenbogen greifen konnte.
»Was hältst du von einer Partie Schach, Vater?«
45
»Noch zwei Tage bis Omdurman«, sagte Abbas, als er sich von dem Feuerchen erhob, das er aus trockenem Reisig entfacht hatte. Das Knacken und Prasseln vermittelte etwas Heimeliges, und der rot lodernde Widerschein wärmte nicht nur den Leib in der Kälte der Nacht, sondern auch Grace’ Seele. Es machte aus dem Lager ein kleines, wohliges Zuhause, voller Licht und Behaglichkeit in der Weite der nächtlichen Wüste und unter der Unendlichkeit des Firmaments. Die zufrieden grunzenden und prustenden Kamele, die leicht versetzt und hintereinander auf der Erde kauerten, einer trutzigen Mauer auf einer Seite des Feuers gleich, trugen das Ihre dazu bei.
Mit beiden Händen griff Abbas in einen der bereits erschreckend schlaffen Säcke, die von den Lastkamelen herunterbaumelten, und zog sie voll mit Körnern wieder heraus, hielt sie einem der Kamele hin. Dessen weiche Lippen grabbelten sogleich das Getreide daraus auf, und knurpsend zermahlte das Kamel das Futter zwischen den kräftigen Zähnen.
»Wir färben dir die Augenbrauen mit Ruß. So bist du nicht schon von Weitem als Weiße zu erkennen.« Grace nickte; sie hatte schon lange kein Spiegelbild mehr von sich gesehen, aber die sattgoldene Farbe ihrer Handrücken ließ den Schluss zu, dass auch ihr Gesicht inzwischen tief gebräunt sein musste. »Halt auf jeden Fall dein Haar bedeckt. Und halt dein Gesicht verhüllt. Bleib immer hinter mir. Schau zu Boden und sprich mich niemals an.« Als hätte er Grace’ fragenden Blick bemerkt, wandte er sich um und wischte sich die leeren Hände an seinem Gewand ab. »Niemand darf dort auch nur den Verdacht haben, dass du eine Fremde bist. Und für Frauen gibt es strenge Regeln unter dem Khalifa.«
Grace kämpfte die Beklommenheit nieder, die bei dem Gedanken an Omdurman in ihr aufstieg und ihren notdürftig gefüllten Magen flattern machte, während ihr Herz gleichzeitig aufgeregt zuckte. Sie schlürfte den Rest der Graupensuppe aus dem ausgehöhlten Kürbis, rieb ihn dann mit einem Zipfel ihres Gewandes sauber und stellte ihn auf den Boden. Provisorisches Geschirr war es, aus dem sie während dieser Reise aßen; wie alles, was Abbas mit sich führte, äußerst einfach war, dabei aber ebenso zweckmäßig wie wohldurchdacht. Grace verschränkte die Arme auf den angezogenen Knien. »Woher kannst du eigentlich so gut Englisch?«
»Geschäfte«, erwiderte Abbas nur, während er das nächste Kamel fütterte.
»Was für Geschäfte?«
Er warf ihr einen kurzen Blick über die Schulter zu, und ein Grinsen blitzte in seinem dunklen Gesicht auf. »Gute Geschäfte.«
Grace schmunzelte in sich hinein und
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