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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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schweißnassen Handflächen am Stoff ihres Gewandes ab. Auf einen Menschen hatte sie noch nie geschossen. Sie zucktezusammen, als es unweit von ihr knallte, reckte den Hals und sah, dass Abbas den ersten Schuss abgefeuert hatte und nachlud. Ein wütendes, angriffslustiges Brüllen, das weit in die Wüste hinausschallte, war die Antwort, gefolgt von scharfen Gewehrsalven und dem dünnen Pfeifen von Kugeln.
    Erneut streckte sie sich und spähte über das Kamel hinweg, während Abbas feuerte und nachlud und feuerte und nachlud. Die Horde war jetzt so nah, dass Grace einzelne Gestalten ausmachen konnte, und sie vermeinte zu sehen, dass nur ein Teil mit einem Gewehr bewaffnet war. Eines ihrer Kamele schrie heiser auf, als es getroffen wurde. Grace legte die Hand mit dem Revolver oben auf den Sattel, doch die zitterte erbärmlich, und sie musste die andere Hand zu Hilfe nehmen, um sie ruhig zu halten. Noch waren die Reiter zu weit weg für den Revolver. Immer wieder schrie einer auf und kippte seitlich aus dem Sattel oder sackte zu Boden, wenn Abbas das Tier darunter getroffen hatte.
    Jetzt. Grace spannte den Hahn, zielte auf eine der weißen Gestalten und drückte ab, zählte sogleich den Schuss mit. Eins. Verfehlt. Sie peilte einen anderen Reiter an. Zwei. Daneben. Drei. Getroffen. Ihre Schüsse kamen schneller als die von Abbas, klangen heller. Vier. Fünf. Sechs.
    Keuchend ließ sich Grace zu Boden fallen, klappte die Trommel heraus, klaubte eine Handvoll Patronen aus der Tasche und stopfte sie mit zitternden Fingern in die Kammern. Wenn ihr dabei eine entglitt, ließ sie sie einfach liegen. Sie ließ die Trommel zuschnappen und richtete sich wieder auf, zielte und schoss. Eins. Zwei. Drei. Zielte und schoss. Vier. Fünf. Sechs. Zurück, in die Deckung, die ihr der Kamelleib bot, um nachzuladen. Ihr Kopf ruckte hoch, als plötzlich keine Schüsse mehr zu hören waren, nur noch Gebrüll und das flache Klirren von Metall auf Metall.
    Es waren nur noch ein paar Angreifer übrig geblieben, vier, vielleicht fünf, die aus dem Sattel gesprungen waren und sich mitSpeeren und Schwertern auf Abbas gestürzt hatten, wohl genau in dem Moment, als er nachladen wollte. Mit seinem Schwert wehrte er die Hiebe ab, aber es sah eng aus, sehr eng. Grace, halb verborgen hinter dem Hinterteil des Kamels vor ihr, zielte auf den kämpfenden Pulk, sah aber sogleich, dass sie so keine Chance hatte; die Gefahr, dass sie Abbas dabei treffen würde, war zu groß.
    Grace schnappte ein, zwei Mal hart nach Luft, dann sprang sie auf.
    »He!«, schrie sie aus Leibeskräften und riss sich mit der Linken das Tuch vom Kopf, ließ es zu Boden flattern.
    Es war nur ein Lidschlag, in dem jegliche Bewegung einfror und aus dem erbitterten Kampf ein starres Tableau wurde. In dem Grace ein gieriges Glitzern in den Augen zweier der Angreifer wahrzunehmen glaubte und in dem sie sah, wie sie ihre Zähne in einem Grinsen entblößten.
    Dann riss Grace ihre Rechte hinter dem Rücken hervor und richtete den Revolver auf die weißen Gewänder, die ein gutes Ziel boten, selbst in der Nacht. Eins. Ein Sekundenbruchteil, den Abbas nutzte, um auszuholen und den ersten niederzumähen. Zwei. Drei. Die Klinge des Schwertes von Abbas drang in den Leib des nächsten. Vier.
    Eine schreckliche Stille lastete mit einem Mal auf der Wüste, und umso lauter bohrte sich das Röhren der umherirrenden Kamele ins Ohr, die ihre Reiter verloren hatten, und die dunklen Schreie des verendenden Lastkamels zwischen Abbas und Grace. Sie ruckte mit dem Kopf, mit dem Revolver in einer stummen Frage zu dem Tier hin, und als Abbas nickte, ging sie hin, spannte den Hahn, zielte zwischen die großen, lang bewimperten Augen und drückte ab.
    Dann, erst dann, wurden ihr die Knie weich, wurde ihre Hand unsicher; ihr Handgelenk schmerzte vom Rückstoß, und die Sehnen ihres Daumens fühlten sich überdehnt an vom vielfachen schnellen Spannen des Hahns. Der Revolver fiel zu Boden. Gracesackte auf die Knie, rieb sich mit dem Ärmel ihres Gewandes über die nassen Augen, und sie wusste nicht, ob diese vom Qualm des verbrannten Pulvers tränten oder ob sie weinte.
    »Steh auf, Miss Grace!« Als sie seinem Befehl nicht gehorchte, schritt Abbas auf sie zu und zerrte sie vom Boden hoch. »Steh auf!« Er las Revolver und Schal vom Boden auf und drückte ihr die Sachen unsanft in die Hände. Mit eckigen Bewegungen und unter dem strengen, beinahe bösen Blick von Abbas schob sie die Waffe in den Hosenbund unter

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