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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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erhob sich, zog sich die Hosen unter dem Gewand zurecht, die immer lockerer saßen. Sie trat neben Abbas und streichelte behutsam den Hals des Kamels; mittlerweile hatte sie jegliche Scheu vor diesen eigenwilligen, manchmal gar boshaften Tieren verloren, und sie versuchte, ihnen mit derselben Mischung aus Respekt, Autorität und Zuneigung zu begegnen, wie sie sie bei Abbas beobachten konnte.
    »Abbas – bist du Muslim?«
    »Aber ja.« Er klang erstaunt, dass sie offenbar erst danach fragen musste.
    »Ich sehe dich nie beten«, versuchte Grace ihm ihre Neugierde verständlich zu machen.
    Er grinste erneut. »Wenn ich bete, schläfst du bereits. Oder du schläfst noch.«
    Grace dachte an die Gebetsrufe von den Minaretten Cairos, die den Tag einteilten. »Nicht fünfmal am Tag?«
    »Ah«, machte Abbas. »Nicht auf Reisen. Ich bin sicher, Allah versteht das.«
    Grace kaute auf ihrer Unterlippe. »Wenn du doch aus dem Sudan kommst ...« Sie suchte noch nach Worten.
    Seine Hand, die dem Kamel über die Stirn strich, bewegte sich langsamer auf und ab. »Du willst wissen, wie ich zur Mahdiya stehe?« Mahdiya – so nannte man im Sudan die Herrschaft des Mahdi, die nun vom Khalifa fortgeführt wurde.
    Grace nickte.
    Im Feuerschein und im grellsilbernen Licht der Sterne und der Mondsichel konnte Grace sehen, wie er seine Züge, die das Zwielicht grob aus seinem massigen Schädel herausmeißelte, nachdenklich zusammenzog. »Vielleicht war der Mahdi wahrhaftig ein heiliger Mann. Vielleicht ist auch der Khalifa ein heiliger Mann. Ich weiß nicht viel über solche Dinge. Ich bin nur ein einfacher Händler. Der viel hört und viel sieht. Ein Wanderer. Mit viel Zeit zum Denken.« Seine Stimme wurde leiser, dabei aber mitnichten sanfter; ein hartes Grollen schlich sich hinein, und er sprach bedächtiger, so als müsste er die englischen Worte, die er für seine Antwort benötigte, erst aus einem entlegenen Winkel seines Gedächtnisses hervorsuchen. Ungewohnte Worte, womöglich einmal gelernt und nie wieder benötigt, und sein Akzent, der die Laute kehliger machte und abschliff, verstärkte sich dabei. »Ihre Herrschaft ist eine schreckliche. Die des Khalifa noch mehr als die des Mahdi. Nicht nur gegen euch Weiße oder gegen die Ägypter. Gegen die Menschen hier.« Sein Kopf ruckte in das Land hinaus. »Der Khalifa quält und tötet, wie es ihm beliebt. Ohne Grund. Man erzählt, er hält Kinder in seinem Harem. Manche erst fünf oder sechs Jahre alt, Mädchen wie Jungen. Wenn sie ihm nach ein paar Jahren zu alt geworden sind,gibt er sie seinen Scheikhs oder lässt sie töten.« Grace erschauerte, obwohl sich Widerstand in ihr regte, das für bare Münze zu nehmen; zu sehr klang es nach einem besonders grausamen orientalischen Märchen aus fernen Tagen, aber Abbas’ Tonfall hatte wenig Raum für Zweifel gelassen. Seine Mundwinkel zogen sich voller Abscheu nach unten. »Vielleicht ist er wahrhaftig ein heiliger Mann. Ich mag das nicht glauben. Der Mahdi hat den Menschen Freiheit versprochen, der Khalifa aber knechtet sie. Das kann nicht der Wille Allahs sein. Das ist nicht das Wort des Propheten.« Er verfiel in brütendes Schweigen, spannte sich dann merklich an, lauschte in die Nacht hinaus. Grace horchte ebenfalls auf. Ein Vibrieren kroch über den Boden, dunkel und dumpf, jagte rasend schnell auf sie zu.
    »Hinter die Kamele! Los!« Abbas fuhr herum und trat hastig das Feuer aus, griff sich sein Schwert und sein Gewehr und Grace sich ihre Tasche. Er packte sie grob am Arm und zog sie mit sich, stieß sie neben dem hintersten der Kamele zu Boden, das neugierig den Kopf zu ihr umwandte.
    »Bleib unten! Rühr dich nicht!«
    Die ersten Schüsse krachten durch die Stille der Nacht. Grace holte den Revolver hervor, prüfte noch einmal nach, ob alle Kammern gefüllt waren, wühlte nach der Munition und stopfte sich die Hosentaschen voll. Immer wieder huschten ihre Blicke zu Abbas. Von einem der Kamele halb verdeckt, kniete er sich im Schutz des vordersten Kamels hin. Er legte den Lauf seines Gewehrs auf den Rücken des Tieres und wartete. Grace reckte sich und spähte über den Sattel hinweg in die Wüste hinaus. Jetzt konnte sie sie sehen: eine Reiterhorde, die Gewänder hell leuchtend im Nachtlicht. Nicht auszumachen war, ob sie auf Pferden oder auf Kamelen auf sie zugaloppierten und wie viele es waren; ein gutes Dutzend sicherlich. Mit schnellem Atem und vor Angst tobendem Herzen duckte Grace sich wieder, wischte sich die

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