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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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beiseite.
    »Habe ich Ihnen all das zu verdanken?« Jeremy zeigte auf das angareb unter einem kleinen pfostengetragenen Dach aus Palmwedeln, auf dem er mittlerweile seine Tage und Nächte im Freien zubrachte, auf den Wasserkrug darunter und auf die geleerte Essensschale; schließlich auf die djibba und die sauberen Hosen, die man ihm als Ersatz für seine alten Sachen gegeben hatte, die von den Peitschenschnüren zerfetzt und mit Blut und Eiter und seinen Ausscheidungen getränkt gewesen waren.
    Slatin verzog das Gesicht. »Sie überschätzen die Macht, die mir hier eingeräumt wird, gewaltig.« Sein Blick wanderte über die Einzäunung aus Dornengestrüpp um den Saier und über die weiter gewachsene Umfriedungsmauer. »Dass man Sie medizinisch versorgt und dort herausgeholt hat und Sie seither von derArbeit in der Ziegelei verschont bleiben, verdanken Sie allein dem Khalifa.« Jeremy bemerkte, dass Slatin nervös die Hände verschränkte, als seine Bewacher bei der Erwähnung dieses Namens zu ihnen herübersahen. »Durch Ihren äußerst ungeschickten Fluchtversuch ist er auf Sie aufmerksam geworden und wollte von mir alles erfahren, was ich über Sie weiß.« Seine hellen Augen streiften Jeremy voller Spott. »Was ja nun nicht besonders viel ist.«
    Jeremy schwieg, und auch Slatin sagte einige Herzschläge lang nichts.
    »Sie als Soldat ...«, ergriff er dann wieder das Wort. »Verstehen Sie etwas von Schießpulver? Genauer gesagt – kennen Sie sich aus mit der Herstellung von Salpeter?«
    Dass Salpeter neben Holzkohle und Schwefel zu drei Vierteln den Hauptbestandteil von Schwarzpulver darstellte, wusste Jeremy, und auch, dass Salpeter aus Erde gewonnen wurde, die besondere Salze enthielt. Er hatte einmal etwas darüber gelesen, vor langer, langer Zeit, in einem anderen Leben, als er noch ein ehrgeiziger Kadett in Sandhurst gewesen war. Sprengstoffkunde war Teil des Prüfungsstoffs gewesen, wenn auch nur auf rein theoretischer Basis. Möglicherweise bekam er dieses Wissen noch aus dem Gedächtnis zusammen – sofern es ihm denn auch wirklich einen Nutzen brächte, und daran hatte er durchaus seine Zweifel; womöglich handelte es sich bei dieser Anfrage Slatins nur um eine tückische Falle des Khalifa.
    »Vielleicht«, lautete deshalb seine Antwort.
    Slatin lachte trocken auf. »Sie haben wahrhaftig nichts begriffen! Hier in Omdurman gibt es nur ein Ja oder ein Nein, kein Vielleicht!«
    »Erst will ich etwas von Ihnen wissen.« Jeremy senkte seine Stimme zu einem Flüstern, und als Slatin ihn aufmerksam ansah, fügte er noch leiser hinzu. »Wie komme ich hier wieder raus?«
    Slatins Augen hellten sich zu gläserner Durchsichtigkeit auf. »Sie sind nicht ganz bei Trost! Sehen Sie nicht, dass das unmöglich ist? Was glauben Sie, wie oft ich nach einer Möglichkeit zur Flucht gesucht habe? Selbst wenn Sie hier«, sein Zeigefinger beschrieb einen Kreis, »herauskommen, selbst wenn sie die«, er wies auf die Fußeisen Jeremys, »loswerden sollten, etwa wenn der Khalifa sie Ihnen großzügig abnehmen lassen würde so wie mir – aus Omdurman selbst entkommen Sie nicht. Wohin sollten Sie auch gehen? Und vor allem – wie? Zu Fuß kommen Sie nicht weit, schon gar nicht ohne Wasser. Niemand wird Sie als Weißen in einem Boot oder in einer Karawane mitnehmen, Ihnen etwas zu essen oder ein Kamel verkaufen, wenn sich jeder denken kann, dass Sie ein Flüchtling sind. Dafür fürchten die Menschen den Khalifa zu sehr. Und wenn Sie sich einfach nehmen, was Sie brauchen, wartet der Galgen auf Sie.« Slatin sann einige Herzschläge lang über seine eigenen Worte nach. »Wenn Sie klug sind, passen Sie sich hier an. Treten zum Islam über, schwören dem Khalifa die Treue. Lassen sich von ihm vielleicht eine Frau geben und zeugen ein paar Kinder, das sieht er immer mit Wohlwollen. Und warten einfach darauf, dass irgendwann der Wind aus einer anderen Richtung weht.«
    Niemals, dachte Jeremy. Sein Magen zog sich zusammen bei der Erinnerung an das Mädchen, das ihm zur Flucht verholfen und das so bitter dafür gebüßt hatte. Niemals. Lieber sterbe ich auf der Flucht.
    Slatin klopfte sich auf die Oberschenkel und stand auf. »Also, welche Antwort kann ich dem Khalifa von Ihnen übermitteln?«
    Jeremy dachte kurz nach. »Ja, ich kann Salpeter herstellen«, verkündete er dann.
    Jeremy hatte sich noch nicht lange wieder auf dem angareb ausgestreckt und sich zu erinnern versucht, was er über die Herstellung von Salpeter wusste, als zwei

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