Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
Vom Netzwerk:
müsste es zischen und farbige Funken sprühen, die darüber Aufschluss gäben, wie hochwertig der Salpeter war.
    Das verdampfende Wasser füllte den engen Raum mit stickiger Schwüle, und Jeremy beobachtete, wie seine Bewacher unruhig von einem Bein auf das andere traten, sich gegenseitig grinsend foppten und knufften wie gelangweilte Kinder, dann unverhohlen zu murren begannen. Schließlich drehten sie sich um und gingen hinaus, wobei einer der drei ihm, offenbar als Warnung, noch mit dem Speer drohte.
    Jeremy goss erneut Wasser nach und sah sich in aller Ruhe um. Die Säcke in der gegenüberliegenden Ecke erregten seine Neugier, und langsam ging er hinüber, die Augen vorsichtig auf die Derwische geheftet, die draußen unter dem Palmendach in der Mitte des Marktplatzes hockten. Er bückte sich und öffnete den obersten Sack, spähte hinein. Ein glänzendes graphitgraues Pulver befand sich darin, und Jeremy zuckte sogleich zurück, als hätte er sich die Finger daran verbrannt. Er griff hinein, holte eine Handvoll Pulver heraus, befühlte es mit den Fingerspitzen, roch daran, und Fassungslosigkeit schlug über ihm zusammen. Sein Blick wanderte hinüber zu der glühenden Holzkohle, jagte dann wild umher, als würde sogleich eine Falle über ihm zuschnappen, in die er ahnungslos hineingetappt war. Die Verblüffung darüber, wie jemand so dumm, so leichtfertig sein konnte, Schwarzpulver im selben Raum aufzubewahren, in dem er ein Holzkohlefeuer entzündete, schlug um in Hass. Offenbar war man sich so sicher, seinen Willen gebrochen zu haben, dass man gar nicht in Betracht zog, er könnte dieses großzügige Angebot nutzen, und schließlich durchzog ihn ein ungeheures Glücksgefühl.
    Er schüttete das Schwarzpulver zurück, ging zum Eingang und sah hinaus. Einer der drei Männer war aufgestanden und zum Rand des Marktplatzes hinübergegangen, wo ein wie eineDörrpflaume verhutzelter, weißbärtiger Greis auf einer ausgebreiteten Decke Brotfladen feilbot. Der alte Mann duckte sich ängstlich, und der Derwisch nahm sich einfach drei der Fladen, brachte sie grinsend zu seinen beiden Kumpanen, ließ sich wieder neben ihnen nieder, und alle drei schlugen genüsslich die Zähne in ihren Imbiss. Jeremys Kopf war kühl und klar, sein Verstand arbeitete wie ein präzise vor sich hin tickendes Uhrwerk, während er verschiedene Möglichkeiten erwog und wieder verwarf, Mengen überschlug und Zeiten abschätzte, schließlich einen Schritt nach dem anderen plante und durchdachte.
    Er ging wieder zu den Säcken zurück und nahm den obersten herunter. Beginnend beim Eingang schüttete er eine dicke Schlangenlinie durch den Raum bis zu den Schwarzpulversäcken, die er umschichtete und geschickt anordnete, bevor er alle Krüge in der gegenüberliegenden Ecke auskippte, wo der festgetretene, staubige Boden das Wasser sofort gierig aufsog. Vor dem Kohlefeuer kniete er nieder und blies kräftig hinein, bis es grell aufgloste und Funken stoben, fischte mit einem der Holzlöffel ein rotgolden glühendes Klümpchen heraus und trug es zum Anfang der behelfsmäßigen Lunte. Vorsichtig legte er den Löffel dort ab, wartete so lange, bis das Holz kokelte, zu rauchen anfing und die ersten Flämmchen aufzüngelten, bevor er aufstand und auf den Marktplatz hinaustrat.
    Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Derwische ihn anstarrten und dann, als er einfach weiterging, brüllend aufsprangen und zu ihren Speeren griffen. Jeremy drehte sich nicht um, er hörte auch so das Zischen, das Fauchen, das Knallen der ersten kleinen Explosionen. Die Art, wie das Gebrüll der Männer ins Schrille umschlug, verriet ihm, dass sie eins und eins zusammengezählt hatten. Sein Mund verzog sich zu einem halben Lächeln, als hinter ihm ein Aufruhr losbrach.
    Ein gewaltiger Donnerschlag peitschte durch die Luft, dann noch einer und noch einer, und das Getöse verschluckte die angstvollen Schreie. Die Druckwelle traf Jeremy von hinten,machte ihn taumeln. Etwas traf ihn hart an der Schulter, doch er ging unbeirrt weiter. Um ihn herum rannten Menschen in heller Panik durcheinander. Er bekam Ellenbogenstöße in die Seite, und er wurde angerempelt, aber er achtete nicht darauf, so wie auch niemand auf ihn achtete.
    Frei. Frei. Frei , schlug sein Herz, und leicht und kräftig schlug es. Jeremy legte den Kopf in den Nacken und lachte, lachte aus vollem Hals, wie er es zuletzt als kleiner Junge getan hatte, vor vielen, vielen Jahren.
    »Was war das?« Grace sah Abbas erschrocken

Weitere Kostenlose Bücher