Jenseits des Nils: Roman (German Edition)
gesehen zu haben. »Wäre schade um Sie. Unser Land braucht solche Männer.«
Ohne ein weiteres Wort ließ Colonel Norbury ihn stehen.
Jeremy senkte den Blick auf sein Glas. Sein Herz pumpte kraftvoller; stolz schlug es und stark. Setzte kurz aus, als ein ausgelassenes Lachen zu ihm herüberflog. Allzu vertraut, allzu verlockend. Er blickte auf.
Den Kopf in den Nacken gelegt, lachte Grace über die Bemerkung eines rotblonden Gentlemans, irgendeines Cousins von Leonard und Cecily, der sich im Erfolg seiner geglückten Pointe sonnte. Sie fing Jeremys Blick auf, und ihr Lachen verklang, wich einem stillen Lächeln.
Erst schien sie zu zögern, legte dann aber mit einer kurzen Entschuldigung die Hand in dem langen Seidenhandschuh flüchtig auf den Arm ihres Begleiters und kam auf Jeremy zu.Das Licht des Raums, gebrochen durch die unzähligen Kristalle der Lüster, fing sich in ihren tropfenförmigen Ohrringen, in der Stickerei aus goldenen und kupferfarbenen Metallfäden ihres ärmellosen Kleides, das an dem viereckigen Ausschnitt mit zimtfarbenen Federn gesäumt war. Der Widerschein der Lichtreflexe überstrahlte das orientalische Muster in Jadegrün, Malachit und Cognacbraun und umgab Grace’ Gestalt wie mit einer leuchtenden Aureole. Aber möglicherweise lag es auch an Jeremy selbst, dass ihm seine Wahrnehmung ein solches Trugbild vorgaukelte.
Einige Herzschläge lang standen sie stumm voreinander, bis Grace schließlich leise sagte: »Du hast heute noch gar nicht mit mir getanzt.«
Seine Mundwinkel verzogen sich fast unmerklich. »Auf deiner Tanzkarte wird auch gar kein Platz mehr frei sein.«
»Doch, sie ist so gut wie leer«, antwortete sie gelassen.
Jeremy schnalzte mit der Zunge. »Sie lügen, ohne rot zu werden, Miss Norbury.«
Grace’ linke Braue hob sich, während ihre Augen vergnügt glänzten. »Und Sie vergessen sich, Mr Danvers – eine Lady der Lüge zu bezichtigen!« Unvermittelt wieder ernst, tastete sie sich gleichsam wie auf Zehenspitzen weiter heran. »Wir haben noch nie miteinander getanzt. Wenn ich genauer überlege, habe ich dich noch nie tanzen sehen.«
»Was daran liegen mag, dass ich mich nicht mit Dingen abgebe, für die ich kein Talent besitze.«
Grace biss sich auf die Unterlippe, und ihre Wangen brannten unter dieser Abfuhr, die sich anfühlte wie eine Ohrfeige. Unter halb gesenkten Lidern schluckte sie ihren Stolz herunter und sah Jeremy wieder an. »Und wenn ich dich einfach darum bitte? Um diesen einen Tanz?«
Er war versucht, Nein zu sagen, weil er ein Ja gewiss bereuen würde. Denn je näher er Grace kam, umso größer wurde der Hunger nach mehr, immer mehr. Ein Hunger, der ihn hilflos machte, weil er nicht wusste, wie er ihn je stillen sollte. Und dennochstellte seine Hand das Glas auf einer der Wandkonsolen ab, und sein Arm bot sich Grace an. Seine Augen wanderten zu Boden, betrachteten die Spitzen der cognacfarbenen Pumps, die unter dem Saum hervorblitzten. »Schade um die schönen Schuhe.«
Grace lächelte. »So hat eben alles seinen Preis ...«
Dann schwiegen sie, denn kein Wort hätte auszudrücken vermocht, wie es sich anfühlte, sich so nahe zu sein, sich zu berühren, in diesem behutsamen Tanz, der seinem eigenen Takt folgte, in den sie beide von selbst fanden.
Der ein Stückchen Ewigkeit war und doch viel zu schnell vorbei.
»Du gestattest?« Leonard forderte mit entschuldigendem Lächeln sein Recht auf den nächsten Tanz ein.
Einen Wimpernschlag lang spielte Jeremy mit dem Gedanken, Grace einfach nicht loszulassen. Nie mehr. Doch gerade ihm würde ein solcher Bruch der Regeln nicht verziehen werden. Nicht solange er sich im Niemandsland befand zwischen Zivilist und Offizier, zwischen seiner Herkunft und der Stellung, die man ihm als Kadett in Sandhurst ebenso gnädig wie zähneknirschend einräumte und der er in allem verpflichtet war, was er sagte oder tat.
Ihm blieb keine Wahl. »Natürlich.«
Lady Grantham beobachtete gedankenvoll die tanzenden Paare in der Mitte des Saales. Ihr Fächer schnappte auf und wieder zu, während sie suchend umherblickte. Als sie sah, wie ihr Gatte sich bei Lady Norbury dafür entschuldigte, dass er sie für diesen Tanz der Gesellschaft seiner Schwester Lady Chesterton beraubte, zögerte sie keinen Augenblick.
»Ein hinreißendes Kleid, das Grace da trägt«, sagte sie, als sie unter dem Geraschel ihrer Seidenrobe in Tannengrün und Schwarz auf Lady Norbury zutrat.
»Sie wird sich freuen, das zu hören«, erwiderte diese
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