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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Augen, die unverwandt auf sie gerichtet waren.
    Simon machte Anstalten, auf sie zuzutreten, wurde aber von Royston zurückgehalten, der erschrocken dreinblickte. »Dochhalt – vielleicht sollte ich euch besser nicht miteinander bekannt machen? Nicht nur, dass unser Mr Digby-Jones zuweilen Ausdrücke im Munde führt, die einer sittsamen jungen Lady die Schamesröte in die Wangen zu treiben vermögen, und dass er auch sonst ein rechter Raufbold ist! Nein, wie man so hört – Tommy, halt dir die Ohren zu, sonst bekomme ich Ärger mit deiner Mutter! Wie man so hört, kann unser guter Simon auch seine Hände nicht bei sich behalten, wenn holde Weiblichkeit in der Nähe ist!«
    An jedem anderen Tag hätte Simon den Fehdehandschuh aufgenommen und es Royston mit einer entsprechenden Antwort heimgezahlt. Heute jedoch lief er nur unter dem Gelächter der anderen rot an, und auch Ada errötete.
    »Hallo, Ada«, sagte Simon leise, nachdem er einen Schritt auf sie zugemacht und ihr die Rechte entgegengestreckt hatte, und Ada schmolz dahin, als sie spürte, wie seine Hand bebte, wie behutsam sie sich um ihre Finger schloss.
    »Hallo«, hauchte sie.
    Nur widerstrebend löste sie sich von ihm, als Royston sie ein Stückchen weiterschob, hin zu dem jungen dunkelhaarigen Mann, der mit verschlossener Miene an einer der geißblattumwachsenen Säulen lehnte. An diesem Gesicht unter dem dichten, schweren Schopf, schwarzbraun wie nasser Mutterboden, war nichts fein oder gar sanft. Hart wirkte es und nüchtern, wie aus Lehm geformt, ebenso verlässlich wie abweisend. Ein Männergesicht, verglichen mit den anderen, die gerade erst ins Mannsein hineinwuchsen.
    »Und das, allerliebste Ads, das ist schlicht und ergreifend Jeremy Danvers aus Lincolnshire. Unser schwarzes Schaf.«
    Jeremy musste Adas fragenden Ausdruck bemerkt haben, denn er stieß sich von der Säule ab und sagte: »Royston meint damit, dass ich im Gegensatz zu allen anderen in Sandhurst der viel geschmähten Mittelklasse entstamme.« Seine Aussage war nüchtern, bar jeder Bitterkeit, und doch fühlte Ada sich unbehaglich, bis sich Jeremys Züge etwas entspannten und jetzt beinahe freundlich wirkten. »Schön, dich endlich kennenzulernen.« Sein Händedruck war angenehm fest, aber kurz, und sogleich zog er sich wieder in den Schutz der Säule zurück. »Hallo, Grace.«
    »Alsdann, Ladys und Gentlemen«, begann Leonard, als alle mit Champagner versorgt waren und sich ihm zuwandten. Er hob sein Glas und lächelte spitzbübisch. »Auf die lange Nacht, die vor uns liegt!«

5
    Die Musik des Streicherensembles durchströmte den Ballsaal von Givons Grove, und die Stimmen der Gäste, ihr Lachen, das durch den Raum perlte wie der Champagner in den Gläsern, ebbten auf und ab wie das Meer an einem heiteren, windstillen Tag, umflossen Jeremy, ohne ihn zu berühren.
    Bis vor wenigen Augenblicken hatte er sich in der wohltuenden Gewissheit gewiegt, nahezu unsichtbar zu sein in seinem zwar gebraucht gekauften, aber fast neuen und auf seine Maße abgeänderten Frack, auf den er lange gespart hatte. Als stiller Beobachter der tanzenden Paare stand er vor einem der Wandspiegel, die den Raum mit den roten Seidentapeten und den riesigen Ölgemälden, den üppigen Stuckleisten in Weiß und Gold noch größer erscheinen ließen.
    Immer wieder spürte Jeremy die Augen des Colonels auf sich. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, sich unter die Ladys und Gentlemen zu mischen und sich unsichtbar zu machen, doch das wäre ihm feige vorgekommen.
    Und so sah er Colonel Norbury unverwandt entgegen, als dieser seine Unterhaltung mit Lord Grantham und zwei weiteren Gentlemen gesetzteren Alters beendete und auf ihn zukam. »Colonel Sir.«
    »Mr Danvers«, begann der Colonel. »Wie Sie wissen, pflege ich üblicherweise Profession und Privatleben klar voneinander zu trennen. Sehen Sie es mir also nach, wenn ich ausgerechnethier und heute noch einmal auf unsere Auseinandersetzung in der letzten Stunde zu sprechen komme. Nicht als Ihr Professor – sondern als altgedienter Soldat, der das Wort an einen wenn auch nicht unerfahrenen, so doch wesentlich jüngeren Soldaten richtet.«
    »Colonel Sir.« Jeremys Miene war ausdruckslos.
    »Dass Sie im Gegensatz zur überwältigenden Mehrheit der Kadetten nicht unmittelbar von der Schulbank nach Sandhurst gekommen sind, sondern bereits Dienstzeit in der Armee vorzuweisen haben – das sehe ich als unschätzbaren Vorteil für Sie an. Doch gerade aufgrund dieser Erfahrung

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