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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Cairo.«
    Royston nickte bedächtig und brütete darüber nach, wie sehr sich in ihrer aller Leben doch Liebe und Tod, Glück und Schmerz miteinander verschränkt hatten in den Jahren, seit sie als junge Männer in Sandhurst gewesen waren.
    »Und«, fragte Royston nach einer Weile, »wie ist das Leben als verheirateter Mann so?«
    Stephen lachte, sodass sein knochiger Adamsapfel auf und ab hüpfte. »Hast du dein Misstrauen immer noch nicht ganz abgelegt?« Er hob den Kopf wieder und blinzelte in Richtung seines Freundes. »Es geht mir gut mit Becky.« Aus seiner Sakkotasche holte er sein Zigarettenetui hervor und bot Royston eine an; als dieser dankend ablehnte, zündete er sich selbst eine an. »Sehr gut sogar.« Leiser fügte er hinzu: »Ich habe kaum noch Albträume, seit sie nachts neben mir liegt.« Er sah zu den austreibenden Eichen hinüber und schwieg eine Weile; es rührte Royston an, den Ausdruck von Zufriedenheit auf Stephens Gesicht zu beobachten. »Becky«, sagte er schließlich leise, »Becky ist das Beste, was mir passieren konnte.« Er grinste, auf eine Art verlegen wie ein frisch verliebter Pennäler und doch verwundert-selig wie ein Mann in fortgeschrittenem Alter, dem nach allzu viel Leid doch noch ein unverhofftes Glück beschieden war.
    »Das freut mich zu hören«, erwiderte Royston.
    Stephen nickte, mit einem Ausdruck in den Augen, den Royston nicht deuten konnte. Spöttisch vielleicht, oder eher vorwitzig. »War schön, dich wieder mal zu sehen«, sagte Stephen dann und schlug dem Freund auf die Schulter. Er klemmte sich die Zigarette in den Mundwinkel und löste die Bremsen des Rollstuhls. »Mach’s gut!«, nuschelte er und setzte mit seinem Gefährt zurück.
    »He!« Royston zog die Brauen zusammen und machte eine ausholende Geste. »Hab ich was Falsches gesagt?«
    Stephen hielt an, nahm die Zigarette aus dem Mund undlachte meckernd. »Ich gewinne in diesem Leben zwar keinen Meilenlauf mehr, aber glaub bitte trotzdem nicht, dass ich im Kopf genauso langsam bin wie zu Fuß! Du kommst schon eine ganze Zeit lang nicht mehr meinetwegen nach Shamley, sondern wegen Ads!« Er wendete den Rollstuhl und warf Royston leichthin über die Schulter zu: »Du findest sie übrigens unter der Rotunde!«
    Royston lief rot an bis unter die Haarwurzeln. Er schämte sich, dass Stephen ihn durchschaut hatte, so wie er sich überhaupt schämte, dass er solche Gefühle für Ada entwickelt hatte. Für Stephens kleine schüchterne Schwester, die schon längst nicht mehr so klein und so schüchtern war. Für die große Liebe seines Freundes, der vor zwei Jahren im Krieg gegen den Mahdi gefallen war und den Royston in Abu Klea zu Grabe getragen hatte. Bis Royston sich so weit gefangen hatte, dass er darauf hätte etwas sagen oder Stephen hätte fragen können, wie er darüber dachte, war dieser bereits im Haus verschwunden. Royston stützte die Ellenbogen auf die Knie und legte das Kinn in die Hände.
    So oft waren sie seit jenem Septembertag spazieren gewesen, der große, massige Royston und die kleine, zarte Ada. Seite an Seite waren sie hier durch den Garten gegangen, über herbstbraune und verschneite Felder, den durch Eiskrusten gelähmten und frühlingslustig sprudelnden Cranleigh entlang. Über Simon hatten sie geredet, über den Krieg, über den Tod und über das Leben. Über ihrer beider Leben, das einen so ganz anderen Verlauf genommen hatte, als sie es sich vor Jahren erträumt hatten. Royston hatte zunehmend seine Angelegenheiten dahingehend geplant und ausgerichtet, dass er so viel Zeit wie möglich auf Estreham verbringen und von dort aus im Nu auf Shamley Green sein konnte, und seit Ada am Bedford war, hatte er sie manchmal von dort abgeholt und in ein Konzert ausgeführt oder in eine Ausstellung, was ihnen reichlich neuen Gesprächsstoff bot.
    Royston löste die Hände vom Gesicht und knibbelte an seinen Fingern herum. Immer wieder wanderte sein Blick zu der Rotunde hinüber, die sich als helle Steinsäule vom Hintergrund des Eichenwäldchens abhob. Das Klügste wäre gewiss, einfach wieder zu gehen, ohne Ada Guten Tag zu sagen, aber die Sehnsucht, sie zu sehen, war übermächtig. Langsam stand er auf und schlenderte über den Rasen, die Hände in den Hosentaschen vergraben, ganz so, als käme er rein zufällig hier vorbei.
    Sie saß auf der untersten der sonnenbeschienenen Stufen der Rotunde, eine Hand am hochgeschlagenen Kragen ihrer dunkelblauen Jacke und ein Buch aufgeklappt auf den angezogenen

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