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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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verzweifelt, als sie ihn ansah.
    »Nein, Ads«, erwiderte Royston erstaunt. »Wie kommst du darauf?«
    »Weil ... weil wir alle so glücklich waren in jenem Sommer. Und schau doch.« Ihre Hand fuhr in einer hilflosen Geste durch die Luft. »Schau doch, was uns seither alles widerfahren ist!«
    »Nicht weinen, Ads«, sagte Royston bekümmert, doch es war bereits zu spät. Unter der Hand, die Ada auf ihre Augen gelegt hatte, strömten die Tränen hervor. Royston legte den Arm um ihre schmalen Schultern, nahm das Buch von ihren Knien, legte es beiseite und zog Ada an sich.
    »Sie fehlt mir so, Royston! Ich will sie nicht auch noch verlieren«, schluchzte Ada an seinem Hals und durchfeuchtete den Kragen seines Hemdes mit ihren Tränen, klammerte sich an seine Schulter. »Dieser vermaledeite Sudan hat uns allen doch schon viel zu viel genommen!«
    »Grace ist klug und stark und mutig«, flüsterte er ihr zu. »Die geht nicht so schnell verloren!« Er hörte selbst, wie wenig überzeugend er klang. Denn Leonard, der mindestens genauso klug und stark und mutig gewesen war, der stets das Glück gepachtet zu haben schien und der noch dazu ein hervorragender Schütze gewesen war, war nicht lebend von dieser Reise mit Grace zurückgekehrt.
    Royston streichelte über ihren Rücken, ihren Nacken, drückte ihr einen kleinen tröstenden Kuss auf das Ohr, auf die Schläfe. Und erst etliche Herzschläge später, als Ada sich in seinem Arm versteifte und die Faust gegen seine Brust stemmte, merkte er, dass sein Mund auf dem ihren ruhte. Hastig löste er sich von ihr.
    »Entschuldige«, stieß er hervor. »Ich wollte nicht – ich meine, ich wollte schon ... aber ...« Beschämt wandte er den Kopf ab. Er fand keine Worte, um wiedergutzumachen, was er da eben angerichtet hatte. Und trotzdem wanderten seine Blicke immer wieder zu Ada hin, die ihn aus tränennassen Augen anstarrte. Nicht böse, noch nicht einmal ungehalten – eher verwundert. Sie legte die Fingerspitzen auf ihre Lippen, als könnte sie nur so begreifen, was Royston gerade getan hatte.
    Royston, dem hundeelend zumute war. »Ads, es tut mir –« Ihre Finger verschlossen ihm den Mund.
    Bang sah er zu, wie ihre Augen über seine Züge huschten, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Einen Mann, der älter wirkte als siebenundzwanzig, mit seinem Bart und einigen Pfunden zu viel auf den Rippen und den ersten sich strahlenförmig auffächernden Linien um die Augen, wenn er lächelte. An den Schläfen wich der Ansatz seines Haares bereits zurück, und vor ein paar Wochen hatte er zudem die ersten drei Silberfäden entdeckt.
    Ihr Gesicht näherte sich dem seinen, ihre Lider flatterten, und sie nahm die Finger von seinem Mund, drückte stattdessen ihre Lippen darauf, tastend, beinahe fragend, als müsste sie etwas herausfinden. Royston schloss die Augen und versank einfach indiesem Kuss, der sanft war und leicht. Mit einem Ruck machte sie sich von ihm los und sprang auf, rannte mit gerafften Röcken los. »Ads!«
    Sie drehte sich um, die Hand auf den Mund gepresst, und ein Lachen sprudelte dahinter auf, kurz wie ein Schluckauf. Sie löste die Hand vom Mund und winkte ihm kurz zu, mit einem Lächeln, das Royston tief in seinem Leib traf, bevor sie sich wieder umwandte und davonrannte, dass die Rüschen ihrer Turnüre lebhaft auf und ab wippten.
    »Ads – dein ... « ... Buch! Er hielt es in die Höhe, aber Ada drehte sich nicht mehr zu ihm um.
    Adas Herz schlug rasch, pochte ihr bis zum Hals, und das lag nicht daran, dass sie so schnell durch den Garten gerannt war, und auch nicht daran, dass ihr das Mieder ihres Kleides unter der Jacke plötzlich zu eng schien, als müsste es beim nächsten Atemzug zerreißen. Royston , ging es ihr voll glückseligen Erstaunens durch den Kopf. Royston. Ja. Oh ja.
    Ungestüm riss sie die Tür zum Salon auf und schlug sie hinter sich zu und stürmte durch den Raum. Sie achtete nicht auf die verblüfften Blicke, die sie streiften, und auch Sal und Pip in ihrem Korb neben dem Kamin blickten ihr aus schmalen Katzenaugen nach.
    »Ads?«, rief Stephen ihr hinterher. »Ads?« Er grinste zufrieden in sich hinein, als er aus dem Korridor ein leises Kichern vernahm, während sich Adas fliegende Schritte in Richtung ihres Mädchenzimmers entfernten.
    »Meinst du, ich sollte nach ihr sehen?«, fragte Constance Norbury, die ihre Stickarbeit hatte sinken lassen.
    Stephen schüttelte den Kopf. »Brauchst du nicht. Ihr geht’s gut. – Liest du bitte weiter,

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